© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Ländersache: Schleswig-Holstein
Der Norden nørgelt
Paul Leonhard

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist alles andere als amüsiert. Nicht nur, daß der dänische Nachbar im Kampf gegen den Terrorismus seit einem Vierteljahr speziell geschulte Soldaten zur Entlastung der Polizei für Kontrollen an seiner Grenze zu Deutschland einsetzt, ab diesem Jahr sollen zudem die Nummernschilder passierender Autos gescannt, Kontrollhäuschen gebaut und Zivilfahnder zum Einsatz kommen. Umgerechnet 15 Millionen Euro hat das Parlament in Kopenhagen für diese Maßnahmen Ende Dezember in den Haushalt eingestellt. Die Dänische Volkspartei will sogar die gesamte 68 Kilometer lange Grenze zu Schleswig-Holstein nach ungarischem Vorbild massiv absichern lassen.

Günther ist schockiert. Hatte er nicht Ende September bei seinem offiziellen Besuch in Kopenhagen den dänischen Premierminister Lars Lokke Rasmussen belehrt, daß „uns Deutsche bewaffnete Soldaten an der Grenze irritieren“ würden. Aus Sicht des CDU-Politikers ist dieser Schritt Dänemarks zur Sicherung seiner Souveränität, insbesondere aber die seit 2016 eingeführten permanenten Kontrollen an den fünf großen Grenzübergängen „eher eine Belastung von Beziehungen“. Für Schleswig-Holstein schaffe das „eine schwierige Situation“. Den Handel kann Günther damit nicht gemeint haben, denn nach Ansicht der Industrie- und Handelskammer in Flensburg haben sich die Kontrollen nicht negativ auf diesen ausgewirkt.

Während man sich in Dänemark über die Reaktionen aus Kiel die Augen reibt, geht anderen deutschen Politikern Günthers Vorstoß nicht weit genug. Einen „Kniefall vor den Rückwärtsgewandten“ warf die SPD-Landtagsabgeordnete Birte Pauls dem Ministerpräsidenten vor und den Dänen einen „absurden Rückgriff in die kleinstaatliche Mottenkiste“. Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) ruft derweil die amtierende Bundesregierung um Hilfe. Diese solle sich für „unsere offene Region“ einsetzen und Gespräche mit Kopenhagen aufnehmen.

„Seit anderthalb Jahren gibt es keine unkontrollierte Flüchtlingsbewegung mehr, weshalb die Grenzkontrollen im Grunde ohnehin ihre Notwendigkeit verloren haben“, zitiert das Flensburger Tageblatt die Oberbürgermeisterin. Auch die Kriminalitätsstatistik würde die Kontrollen nicht legitimieren. „Dennoch erleben wir eine schrittweise Verschärfung auf der dänischen Seite, und ich frage mich, was kommt noch, was wird das nächste sein“, so Lange. Wie der europapolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Rasmus Andresen, und Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) fordert sie von Dänemark die Einstellung der Kontollen.

Was derzeit praktiziert werde, ähnelt aus Langes Sicht einer „permanenten Grenzkontrolle“ und sei daher laut EU-Recht rechtswidrig. Auch die EU-Kommission hatte nach Bekanntwerden der geplanten Grenzkontrollen Dänemark vor „einseitigen Schritten“ gewarnt und im Falle von „intensiven und ständigen“ Kontrollen mit einer Klage gedroht, inzwischen aber eingelenkt: Sie sei mit Grenzkontrollen einverstanden, die über die vereinbarten zwei Jahre hinausgehen, wenn die Staaten das jeweils mit der Terrorgefahr begründen und nicht mehr mit der Flüchtlingssituation. Diesen Hinweis hat die dänische Regierung berücksichtigt, als sie die Kontrollen vorerst bis kommenden Mai verlängert hat.