© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Grüße aus Shanghai
Tee? Nein danke!
Elke Lau

Wir, zwei weitgereiste, mit allen Wassern gewaschene Berliner, verlassen unsere Shanghaier Herberge zur Mittagszeit. Es ist unerträglich schwül. So „diskutieren“ wir an einer Kreuzung. Stadtrundgang? Rückkehr? Plötzlich spricht uns ein junges Paar in vorzüglichem Englisch an: „Kommen sie aus Deutschland?“ 

Sofort sind wir in ein lebhaftes Gespräch verwickelt. Unsere Planlosigkeit ist wie weggeblasen, denn Tiffiny und Chen laden uns zu der berühmten Teezeremonie ein, die, keine hundert Meter entfernt, in einem kleinen, tiefer gelegenen Laden stattfinden soll. Wir werden in den hinteren Raum geführt, pieksauber, mit handgeschnitzten Möbeln. Drei Chinesinnen im traditionellen  Hanfu-Gewand beginnen mit der Zeremonie. Tiffiny übersetzt. Wir dürfen vier Sorten probieren und freuen uns so über die schöne Tradition.

Wir sind von Neugierigen umringt, die uns bestaunen wie Panda-bären auf Freigang.

Dann wird uns eine Rechnung über 120 Euro präsentiert. Unser Protest prallt wirkungslos an den Chinesen ab. Auch das Argument, eine Fabrikarbeiterin würde diese Summe nicht in einem Monat verdienen, zieht nicht. Wir beschließen, die Summe als „Kollateralschaden“ abzubuchen. 

Plötzlich haben es alle eilig. Ungeduldig dirigieren sie uns durch den Hintereingang. Eine halboffene Stahldrehtür führt zunächst über unübersichtliche Hinterhöfe, dann aber zurück auf die Hauptstraße. Tiffiny und Chen telefonierent hektisch und folgen uns. 

Plötzlich ertönen hinter uns laute Rufe. Eine 40jährige Frau und zwei junge Männer holen uns ein und fragen in holprigem Englisch: „Waren Sie mit diesen Leuten bei einer Teezeremonie?“ – „Ja.“ – „Was haben Sie bezahlt? Die Leute sind kriminell. Ich rufe jetzt die Polizei. Einverstanden?“ Wir nicken. 

Tiffiny keift wie ein Waschweib, will der Frau das Handy entreißen und fängt sich warme Ohren. Derweil sind wir von etwa hundert Neugierigen umringt, die uns bestaunen wie Pandabären auf Freigang. Die Leute reden aufgeregt auf beide ein, wir verstehen kein Wort. Dann taucht ein Streifenwagen mit zwei Beamten auf, von denen einer Englisch spricht. Wir erklären die Lage.

Der Troß setzt sich in Bewegung. In der Teestube steht der Besitzer mit seiner Hilfe, der Polizist hält eine kurze Ansprache, die Chinesin zieht unser Geld aus der Hosentasche, reicht es uns. Auf dem Weg zum Funkwagen danken wir unserer Helferin. Aber die muß nun zu Tiffiny, die bereits auf dem Rücksitz randaliert, in den Funkwagen steigen.