© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Raus aus der Haftungsfalle
Bauvertragsrecht: Handwerker müssen nicht mehr für mieses Material geradestehen / Lieferanten in der Pflicht
Dirk Meyer

Mit dem Jahreswechsel können Handwerker und Händler aufatmen. Das in diesem Monat in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung bringt für sie eine erhebliche Entlastung der Kostentragung im Fall von mangelhaften Einbauteilen, wie sie insbesondere bei Bauleistungen vorliegen. Zwar ist der Ersatz des fehlerhaften Materials unstrittig. Deren Ersatz geht jedoch häufig mit sehr aufwendigen Aus- und Einbauarbeiten einher. Bislang stellte sich die Frage, wer beispielsweise für die Kosten aufkommt, wenn sich das Parkettmaterial als mangelhaft herausstellt und deshalb ausgebaut und ersetzt werden muß.

Ähnliche Fälle geben Kabelverlegungen mit fehlerhafter Isolierung oder Fliesen, deren Oberfläche Schattierungen aufweisen, die mit bloßem Auge beim Verlegen nicht ohne weiteres zu erkennen waren. Schließlich, wer zahlt für die Maler- und Lackierarbeiten, die mit mangelhaften Farben oder Lacken ausgeführt wurden? Vielfach machen die Aufwendungen für den Aus- und Einbau des mangelfreien Austauschteils einen erheblichen Teil der Gesamtkosten aus.

Umsetzung der EU-Verbrauchsgüterrichtlinie

Im Verhältnis Endverbraucher – Händler (Baumarkt)/Handwerker war die Rechtslage seit der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) zugunsten des Verbrauchers eindeutig geklärt. 2011 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH, C 65/09, C 87/09), daß der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber einem Verbraucher verpflichtet ist, die bereits eingebaute mangelhafte Kauf­sache auszubauen, Ersatz zu liefern und einzubauen und vor allem: die Kosten für beides zu tragen. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte daraufhin die Nacherfüllungspflicht (Paragraph 439 BGB) richtlinienkonform aus und bejahte eine Ersatzpflicht des Verkäufers für Aus- und Einbaukosten, allerdings nur wenn es sich beim Käufer um einen Verbraucher handelt (BGH, Az. VIII ZR 70/08). Damit war das Problem zwar für den Verbraucher gelöst, nicht aber für den Händler bzw. den Handwerker. Denn diese konnten zwar vom Lieferanten/Hersteller das mangelfreie Baumaterial verlangen, blieben aber auf den Aus- und Einbaukosten sitzen (BGH, Az. VIII ZR 211/07). Lediglich wenn den Lieferanten ein Verschulden traf, konnte aus dem Unternehmensvertrag ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden. Allerdings war der Nachweis häufig schwierig.

Bereits mit dem Koalitionsvertrag der alten GroKo (2013) war die Beseitigung der „Haftungsfalle“ für das Handwerk vereinbart und mit einem Gesetzentwurf 2016 auf den Weg gebracht worden. Praktisch als eines der letzten Gesetzesvorhaben konnte eine Reform der Mängelhaftung mit Beschluß vom 28. April 2017 vollendet werden, die mit Jahresbeginn in Kraft tritt. Ziel des Gesetzgebers war es, ähnlich wie beim Verbraucher die bei der Erfüllung von Mängelbeseitigungen anfallenden Aufwendungen in der Lieferkette möglichst bis zum Verursacher des Mangels weiterzureichen. Kurz gefaßt führt die Neuregelung zu einer Entlastung des Verkäufers einer (Bau-)Leistung, indem ihm jetzt eine Regreßmöglichkeit innerhalb der Lieferkette bis zum eigentlichen Verursacher ermöglicht wird (Rückgriff in der Leistungskette).

Gesetzesänderung gilt nur für neu hergestellte Sachen

Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber in das Kaufvertragsrecht die Paragraphen 445a, b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) neu eingefügt. Demnach können zukünftig auch Handwerker die Aufwendungen für den Aus- und Einbau mangelhafter Bauteile/Baustoffe vom Lieferanten zurückfordern, die sie im Rahmen ihrer Nacherfüllungspflicht gegenüber dem Kunden aufbringen mußten. Hierzu zählen nicht nur Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Auch alle weiteren Kosten, die im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber dem Endkunden entstehen, können angesetzt werden, also beispielsweise die Kosten für eine Möbellagerung sowie Reinigungskosten nach Beendigung der Arbeiten.

Die Neuregelung gilt allerdings nur für neu hergestellte Sachen, also nicht für Gebrauchtwaren. Eine nicht unerhebliche Erweiterung des Anwendungsbereiches betrifft fehlerhafte Produkte, die an eine andere Sache angebracht (nicht eingebaut) worden sind. Dieser Fall gilt für die mangelhafte Farbe, bei der der Malerbetrieb die Kosten der Neulackierung vom Händler bzw. Farbenhersteller verlangen kann. Einschränkend muß der Mangel des Kaufgegenstandes bereits bei Anlieferung beim Handwerker vorgelegen haben, was dieser im Streitfalle gegenüber dem Lieferanten beweisen muß. Diese Beweislast kann im Einzelfall schwierig zu erfüllen sein und Anlaß für gerichtliche Verfahren bieten.

Die Verjährungsfrist für die Erstattungsansprüche aus der Beseitigung von Mängeln gegenüber dem Lieferanten/Hersteller beträgt zwei Jahre, beginnend vom Zeitpunkt der Ablieferung beim Endkunden. Da die Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei Werkleistungen bei einem Bauwerk entweder vier (nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, VOB/B) oder gar fünf Jahre (Paragraph 634 a BGB) ab Abnahme beträgt, wurde zusätzlich eine Ablaufhemmung für Ansprüche des Handwerkers gegenüber seinem Lieferanten von maximal fünf Jahren nach dem Zeitpunkt eingeführt, zu dem der Lieferant ihm die Sache geliefert hat. Dies sichert entsprechende Kostenerstattungen aus Mängelrügen des Kunden gegenüber dem Handwerksbetrieb auch zeitlich ab.

Zur Diskussion stand, ob ein Ausschluß dieser Regelung durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) möglich sein sollte, was den Interessen des Handels bzw. der Lieferanten entsprechen würde. Ein Verbot solcher Klausel besteht eindeutig gegenüber Endverbrauchern (Paragraph 309 BGB). Dies gilt vom Grundsatz her auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr, wobei Ausnahmen ein besonderes Interesse zur Rechtfertigung benötigen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.





Neuregelung bei der Mängelhaftung

Bislang galt in Deutschland:

? Verbraucher haben Anspruch auf Mängelbeseitigung bzw. Lieferung einer mangelfreien Sache (Paragraph 439 BGB). Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten trägt der Verkäufer/Handwerker.

? Verkäufer/Handwerker mußten Ein- und Ausbaukosten bei der Lieferung einer mangelhaften Sache selbst tragen. Ausnahme: Nachgewiesenes Verschulden des Lieferanten.

Neuregelung der kaufrechtlichen Mängelhaftung:

? Handwerker/Händler erhalten Regreßmöglichkeit für Ein- und Ausbau- und sonstige Kosten innerhalb der Lieferkette bis zum eigentlichen Verursacher (Paragraph 445a BGB)

? Voraussetzung: Die Sache ist neu hergestellt und der geltend gemachte Mangel war bereits beim Übergang der Gefahr (Lieferung) vorhanden.

? Verjährungsfristen: Aufwendungsersatzansprüche verjähren in zwei Jahren ab Mängelbeseitigung (§ 445b BGB).

? Ein Ausschluß der Neuregelung per AGB ist nur in besonders zu begründenden Fällen möglich.