© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Amerikanische Außenpolitik unter Donald Trump
Isolierung oder Alleingang?
Todd Huizinga

In Europa scheint es zur allgemeinen Weisheit zu werden, daß die USA in der Außenpolitik isoliert seien. Die Behauptung der „Isolierung“ Amerikas funktioniert meistens als eine implizite Beschuldigung: Amerika sei isoliert, weil es eine falsche Politik betreiben würde, eine Politik, die der Rest der „Weltgemeinschaft“ ablehnen würde. Die meisten Verfechter dieses Standpunkts wollen damit auch behaupten, daß dieser Umstand eine direkte Folge von Donald Trumps Person und Politik sei.

Dieser Gedankengang ist aus vielen Gründen eine Fehleinschätzung. Ich möchte das durch einen Überblick über einige der wichtigsten Fragen in der amerikanischen Außenpolitik beleuchten, erstens über die Themen, bei denen es tatsächlich große Unterschiede gibt zwischen dem Standpunkt der USA und denen vieler anderer, besonders europäischer Länder, und zweitens über die Themen, bei denen die USA alles andere als isoliert sind.

Ein wichtiger Punkt bei meinen Ausführungen ist es, daß Alleingang und Isolierung zwei unterschiedliche Dinge sind. Alleingang ist etwas, was derjenige, der alleine handelt, frei und von sich aus wählt, weil er das für das Richtige unter den jeweiligen Umständen hält. Isolierung ist etwas, was von außen kommt. Der Isolierte wird gegen seinen Willen von anderen allein gelassen. In den relativ wenigen Fällen, wo Amerika tatsächlich alleine steht – mindestens im Hinblick auf die Europäer –, ist das ein frei gewählter und gut durchdachter Alleingang, von den jetzigen Umständen bedingt, die sich höchstwahrscheinlich künftig ändern werden.

Beginnen wir mit dem Pariser Klimaschutzabkommen. Seit im November Syrien das Abkommen unterschrieb, sind die Vereinigten Staaten das einzige Land auf der Welt, das das Abkommen nicht unterstützt. Hier haben die USA nach vorsichtiger Überlegung den Alleingang gewählt. Präsident Donald Trump hat gegen den Rat der Europäer sowie auch vieler seiner eigenen engsten Berater den Mut gehabt, dieses ideologiebeladene und schlecht ausgehandelte Übereinkommen abzulehnen. Das war die richtige Entscheidung. „Paris“ hätte den USA Verpflichtungen auferlegt, die ihr Wirtschaftswachstum und ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt hätten, und das, um ein Abkommen einzuhalten, das nach der Meinung vieler seiner Unterstützer wenig zum Aufhalten des Klimawandels beitragen würde. Da eine gesunde amerikanische Wirtschaft ja nicht nur für das Wohl amerikanischer Arbeitnehmer, sondern auch für das Wohl der ganzen Welt notwendig ist, wird sich Trumps Entscheidung als ein Verdienst für die ganze Welt erweisen.

Der Klimaschutz als politisches Thema muß gegen andere legitime politische Interessen abgewogen werden – wie wirtschaftliches Wachstum, nationale Souveränität oder Einengung der Freiheit durch das Wachsen einer internationalen Umweltbürokratie.

Noch ein wichtiger Punkt, der in Europa anscheinend fast in Vergessenheit geraten ist: Die Frage des Ausmaßes des Klimawandels – sowie des Anteils des Klimawandels, der von menschlichen Handlungen bedingt ist – ist heftigst umstritten, trotz aller Hiobsbotschaften, die in den europäischen Medien und von europäischen Führungsfiguren endlos und mit dogmatischer Selbstsicherheit verbreitet werden.

Aber auch wenn das Ausmaß des vom Menschen erzeugten Klimawandels erwiesen wäre: Der Klimaschutz ist ein politisches Thema wie alle anderen auch. Als solches muß er gegen andere legitime politische Interessen abgewogen werden – wie zum Beispiel wirtschaftliches Wachstum, nationale Souveränität, die Gefahr der Einengung der Freiheit durch das Wachsen einer internationalen Umweltbürokratie, und anderes mehr. Das Pariser Abkommen erhebt den staatlich dirigierten Klimaschutz über all diese anderen politischen Interessen, mit denen der Klimaschutz abgewogen werden müßte. Man hat jeden Grund zu erwarten, daß es scheitert, und kann nur hoffen, daß es auf dem Weg zum Scheitern nicht zuviel Schaden anrichtet.

Die USA vertreten schon lange im Hinblick auf den Friedensprozeß im Nahen Osten eine andere Ausrichtung als die meisten europäischen Länder. Die Amerikaner stehen mehrheitlich ohne Wenn und Aber zu Israel, einem demokratischen Alliierten, der von Feinden umringt ist, die offen und ohne Scham seine Zerstörung anstreben. Mit wenigen Ausnahmen strebt Israel jahrzehntelang trotz seiner lebensgefährlichen Lage den Frieden an, begrenzt seine militärischen Angriffe auf das Notwendige und kontrolliert selber, daß seine Soldaten und Polizei die Menschenrechte seiner Gegner respektieren.

Vor diesem Hintergrund haben vor kurzem die Vereinigten Staaten – im Alleingang – Jerusalem offiziell als die Hauptstadt Israels anerkannt. Es war eine Entscheidung, die man dem Mut Donald Trumps, wenn nötig auch allein zu handeln, zuschreiben muß. Damit hat er nicht nur die Tatsache anerkannt, daß Jerusalem die De-facto-Hauptstadt Israels ist, egal, was für Tatsachen andere schaffen möchten, sondern auch die Solidarität der USA mit dem demokratischen Israel unmißverständlich klargemacht. Diese Solidaritätsuntermauerung war wiederum einer der wichtigsten Anstöße seit Jahren für den Frieden im Nahen Osten, denn der Friede ist dort nur möglich, wenn es feststeht, daß Amerika sich nicht für einen Frieden mißbrauchen läßt, der Israel schwächen würde.

Schon vor Trumps Amtsantritt hat es in Europa viel Unmut erregt, besonders in Deutschland, als Trump sich für den Brexit ausgesprochen hat. Hier darf man nicht außer acht lassen, daß er es immer klargemacht hat, daß der Brexit eine Angelegenheit der Briten und der Europäischen Union ist, und daß die Vereinigten Staaten ein fester Alliierter eines freien Europas bleiben. Die USA stehen zu ihrer eigenen Souveränität, und der Präsident hat mehrmals erklärt, daß alle Länder das Recht haben, ihre eigene Zukunft zu bestimmen. Das gilt natürlich hundertprozentig für einen engen Freund Amerikas wie Großbritannien. Im Brexit-Referendum vom Juni 2016 ging es darum, ob die Briten von ihren gewählten Regierungen souverän regiert werden wollten oder wesentliche Anteile ihrer nationalen Souveränität an Brüssel (was ja faktisch heißt, auch an Berlin und Paris) abgeben wollten. Daß die Mehrheit sich für die nationale Souveränität entschieden hat, und daß ein amerikanischer Präsident den Wunsch der Briten respektiert, sollte keine Empörung in Brüssel und Berlin hervorrufen, sondern vielleicht eher eine selbstkritische Neueinschätzung der hartnäckig übersteigerten Herrschaftsansprüche der Europäischen Union.

Es bedarf nicht vieler Worte, um Trumps Nato-Politik, die in Deutschland auf die Ablehnung vieler gestoßen ist, zu erklären. Trump ist es gelungen, eine jahrzehntelange Botschaft Amerikas mit unübertroffener Klarheit zu überbringen: Es ist anmaßend zu erwarten, daß Amerika für immer die Verteidigung Europas alleine auf sich nimmt. Daß die anderen Nato-Mitglieder, besonders das große und reiche Deutschland, einen fairen Anteil ihrer Verteidigungskosten bezahlen, sollte selbstverständlich sein. Die wachsende Akzeptanz, auch in Eu­ropa, dieser augenscheinlichen Wahrheit wird die Allianz stärken.

Viele in Europa nehmen Anstoß an der Iran-Politik der USA unter Trump. Das Atomabkommen mit dem Iran sei ein großer Erfolg, der nicht in Frage gestellt werden dürfe. Trotz dieses Wunschdenkens bleibt der Iran aber der weltgrößte Unterstützer des Terrorismus, betreibt weitere Aufrüstungsaktivitäten unter dem Deckmantel des Abkommens und versucht mit Entschlossenheit und Brutalität, seine Macht im ganzen Nahen Osten auszubreiten. Mit der neuen Iran-Strategie der Trump-Administration wird Irans vielschichtige Aggression benannt und Wege gezeichnet, diese Aktivitäten zu unterbinden. Das Atomabkommen wird dem angestrebten Ziel des Abkommens unterordnet, nämlich, einen friedlichen Iran ohne Atomwaffen. 

 Trump erhielt als Erbschaft eine ziemlich gescheiterte Nordkoreapolitik, die Pjöngjang die Zeit gab, seine Atomwaffenkapazität zu einer unmittelbaren Gefahr werden zu lassen. Vor diesem Hintergrund hat Trump genau das Notwendige getan.

So muß es sein – ein Abkommen hat nur dann Wert, wenn es zur Erreichung seiner beabsichtigten Ziele beiträgt. Die USA und Europa teilen diese Einsicht, auch wenn unsere Perspektiven sich nicht ganz decken. Zusammen werden wir das Ziel eines friedlichen Irans weiter verfolgen, weil wir es müssen.

Wenn wir den Blick nun auf Ost­asien richten, sehen wir an den Beispielen Nordkorea und China, daß Amerika alles andere als isoliert ist. Die Welt weiß, daß ein Nordkorea mit zuverlässig einsetzbaren Atomwaffen für die ganze Welt eine Gefahr sondergleichen wäre, und daß dieses Problem nur mit der Beteiligung, ja unter Führung der USA zu lösen ist. Trump erhielt von seinen Vorgängern als Erbschaft eine ziemlich gescheiterte amerikanische Nordkoreapolitik, die, wie jetzt im nachhinein augenscheinlich ist, dem Regime die Zeit gegeben hat, seine Atomwaffenkapazität so weit auszubauen, daß sie jetzt zu einer unmittelbaren Gefahr geworden ist. Vor diesem Hintergrund hat Trump genau das getan, was im Augenblick notwendig ist: Er hat Nordkorea die doppelte Botschaft vermittelt, daß die USA bereit sind, unter den richtigen Bedingungen mit dem Regime zu sprechen, daß die USA aber, wenn Nordkorea sie zwingen sollte, gegen das Regime vorzugehen, um sich oder seine Alliierten zu verteidigen, keine Wahl haben würden, außer Nordkorea völlig zu zerstören. Wegen der Entschlossenheit, die Trump bisher an den Tag gelegt hat, ist diese Warnung glaubhaft – und die größte Chance, die es gibt, einem nuklearen Nordkorea vorzubeugen und einen Krieg tatsächlich zu vermeiden.

China verdeutlicht vielleicht auf besondere Weise, daß die Politik – und zwar vor allem die Außenpolitik – die Kunst des Möglichen ist. Wegen amerikanischen Druckes sowie wegen Chinas eigener sich verändernder Lage im Hinblick auf Nordkorea hat China zum Teil – nur zum Teil – eine hilfreichere Rolle in dieser neuesten Korea-Krise gespielt. Im Hinblick auf China als solches weiß man nicht, was aus diesem Land wird. Trumps komplizierter Tanz mit Xi Jinping gleicht dem Versuch seiner Vorgänger, dieses vielschichtige, sich rasant entwickelnde Land dahin zu bewegen, eine positivere Rolle auf der Weltbühne zu spielen. Man muß es sagen: Weitere Entwicklungen in China und in seiner Haltung zur Außenwelt hängen zum größten Teil von dem ab, was in China selbst passiert. Von außen ist es nur äußerst bedingt beeinflußbar.

Wenn man die amerikanische Außenpolitik unter Trump in Ruhe betrachtet, überrascht das Fazit nicht: Während die USA in bestimmten Fragen den augenblicklich notwendigen Alleingang gewählt haben, sind sie bei anderen Fragen alles andere als isoliert. Und in den meisten außenpolitischen Fragen – gerade auch in den Fragen, in denen die USA im Moment im Alleingang sind – spielen die Vereinigten Staaten unter Trump weiterhin eine führende Rolle.






Todd Huizinga, Jahrgang 1957, diente zwanzig Jahre lang als US-Diplomat in Deutschland und Europa, zuletzt in Brüssel. Nach dem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst 2012 arbeitete er als Politikberater. Zusammen mit Henk Jan van Schot­horst gründete er 2013 das Transatlantic Christian Council. Huizinga studierte Germanistik und Musik in Wisconsin und Michigan. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Todd Huizinga: Was Europa von Trump lernen kann. Die Krise des alten Kontinents und das neue Amerika. Vergangenheitsverlag, Berlin 2017, broschiert, 147 Seiten, 14,99 Euro

Foto: Donald Trump ist bald ein Jahr im Amt:

Haben sich die Vereinigten Staaten von Amerika unter dem 45. US-Präsidenten international isoliert? Nein, meint der ehemalige US-Diplomat Todd Huizinga: Alleingänge sind frei gewählt und gut durchdacht.