© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/18 / 12. Januar 2018

Frisch gepresst

Hans Robert Jauß. Nach dem üblichen Muster der Vergangenheitsbewältigung getauften Skandalisierungen ist aus der Biographie des Romanisten Hans Robert Jauß (1921–1997) seit einigen Jahren ein „Fall“ geworden. Den ließ die Universität Konstanz, zu deren international renommierten „Exzellenzen“ Jauß lange zählte, durch den Militärhistoriker Jens Westemeier „aufarbeiten“. Doch statt der wohl erhofften „Kriegsverbrechen“ konnte die vom feuilletonistischen Empörungsgeheul angespornte Rekonstruktion der Waffen-SS-Laufbahn des schwäbischen Lehrersohns „nur“ nachweisen, daß Jauß sich als Frontoffizier durch große Tapferkeit auszeichnete, zuletzt im Verzweiflungskampf gegen die Rote Armee in Hinterpommern mithelfend, das Leben Tausender Flüchtlinge zu retten (JF 43/16). Wie dieser frühe Abschnitt der Jauß-Vita ein publizistisches Haberfeldtreiben provozierte, an dessen Ende heute eine „dauerhafte Beschädigung des Rufs“ des Gelehrten steht (Cato, 1/2018), ist Gegenstand der „Anatomie einer Kampagne“, die der Konstanzer Althistoriker Wolfgang Schuller jetzt vorgelegt hat. Die Studie beschreibt mit der Nüchternheit eines Sektionsprotokolls die wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg solcher Hetzjagden: die bundesdeutsche Geschichts-entsorgung, die nur noch einen negativen Bezug zur Vergangenheit kennt und keine „Dankesschuld gegenüber den Vorfahren“ (Egon Flaig), sowie die davon nicht zu trennende, blühende Unkultur des akademischen Duckmäuser- und Denunziantentums. (ob)

Wolfgang Schuller: Anatomie einer Kampagne. Hans Robert Jauß und die Öffentlichkeit. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2017, broschiert, 206 Seiten, 19,90 Euro





Letztes Aufgebot. Divisionen mit „hoher Hausnummer“ haben in der Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs selten große Spuren hinterlassen, auch nicht die im Herbst 1944 aus Reserve, Versprengten und Nachschüblern zusammengewürfelte 326. Volks-Grenadier-Division. Doch gerade deshalb gibt die quellengesättigte Analyse, die der Militärhistoriker Timm Haasler über Aufstellung, Ausrüstung und Motivation dieser Allerweltseinheit vom Beginn der Ardennenoffensive bis zur Kapitulation im Ruhrkessel bietet, einen wahrhaft realistischen Einblick in Zustand und Kampfkraft der Wehrmacht im Westen 1945. (bä)

Timm Haasler: Die 326. Volks-Grenadier-Division in der Ardennenoffensive 1944/45. Helios Verlag, Aachen 2017, gebunden, 128 Seiten, Abbildungen, 26,80 Euro