© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

GroKo-Sondierungen
Vier weitere bleierne Jahre
Dieter Stein

Martin Schulz und der SPD geht es bei den Sondierungsverhandlungen mit der Merkel-Union wie dem traurigen Fischer in Goethes gleichnamigem Gedicht: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin ...“ Selbst harte politische Gegner erfaßt Mitleid, wie die Sozialdemokraten – eben noch auf einem ganz anderen Trichter und in 180 Grad anderer Richtung unterwegs – nun dienstbar Angela Merkel ihre vierte Kanzlerschaft ermöglichen wollen.

Nach der markigen Ankündigung im September, in die Opposition zu gehen und sich gegen die Union endlich wieder scharf profilieren zu können, erlebte die SPD kurzzeitig eine Phase der Euphorie, die im lebenslustigen Satz von Andrea Nahles kulminierte, der CDU künftig endlich wieder „in die Fresse“ geben zu können. Nun die Kehrtwende. Martin Schulz, eben noch in der Pose des Oppositions-Rockers aufgeblüht, muß mit gerunzelter Stirn, wieder ganz unter weltpolitischer Last gebeugter Staatsmann, die Einigung in den Sondierungsverhandlungen als Super-Deal verkaufen und an seine Partei appellieren, der ewigen Kanzlerin auf dem Weg zur nochmaligen Krönung die Schleppe zu tragen.

In der SPD knirscht es jedoch mächtig, und die jüngsten Umfragewerte, bei denen sie mit 18,5 Prozent nicht nur ein historischer Tiefststand erreicht, sondern auch der Abstand zur AfD (14 Prozent) weiter schrumpft, bedeuten keinen Rückenwind für die Parteiführung. Die Widerstände wachsen.

Bahnt sich eine konzertierte Aktion von Gegnern einer neuen Kanzlerschaft Merkels über die Parteien hinweg an? Unmittelbar nachdem FDP-Chef Lindner die Jamaika-Sondierungen hatte platzen lassen, soll Merkel geäußert haben: „Der will mich weghaben.“ Lindner sowie der CDU-Netzwerker Jens Spahn und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt man nach, an der Architektur der Post-Merkel-Ära zu arbeiten. Nur: Wer gibt den Königsmörder? Beim jüngsten „Wirtschaftsforum“ des Springer-Verlages (Welt und Bild) fehlte Merkel – „wegen der Sondierungen“. Statt dessen hielt Ungarns Staatschef und Merkel-Intimfeind Viktor Orbán im Beisein der Springer-Erbin und bisherigen Merkel-Busenfreundin Friede Springer eine Schlüsselrede. Zufall?

Gelingt die GroKo, dann ist dies mit Merkel und Schulz die Hochzeit von Politikern, deren Zenit lange überschritten ist und die für lediglich vier weitere bleierne Jahre stehen. Unambitioniert, visionslos, Technokraten des „Weiter so“ mit verbrannten Ministern wie Heiko Maas oder Ursula von der Leyen. Viele Indizien sprechen dafür, daß der Boden erodiert, auf dem diese GroKo der Verlierer gründet, die im Bundestag nur noch über lächerliche 56 Prozent verfügt.

Goethes Fischer erliegt dem Sirenenklang der Wasserfee – „und ward nicht mehr gesehn“. Will die SPD in Merkels Armen einem ähnlichen Schicksal erliegen?