© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Spannungen in Nordsyrien
Die Türkei riskiert Krieg
Jürgen Liminski

Lange hatte der türkische Despot Erdogan Geschäfte mit der Terrormiliz IS getrieben. Er kaufte ihr Rohöl zum Viertel des Weltmarktpreises ab und machte seinen Reibach auf dem globalen Markt. Er verkaufte ihr Waffen und schuf einen Korridor, über den Kämpfer aus aller Welt in das Gebiet der Terroristen reisten. Erst als die von Amerika gestützte Anti-IS-Koalition immer weiter in das Kalifat vordrang und die überwiegend von Kurden besiedelten Gebiete befreite, war Erdogans Geschäftsmodell am Ende, sein Haß auf die Kurden aber noch größer. Jetzt ist er sogar bereit, einen Krieg zu riskieren.

Die Kurden sind ebenfalls dazu bereit, sie kennen kaum etwas anderes. Die Frage ist, woher sie die Waffen bekommen, um sich gegen die türkische Armee zu wehren. Ohne die Amerikaner haben sie kaum eine Chance. Und das ist das Problem. Trump ist ein unzuverlässiger Verbündeter. Diesmal aber geht es nicht nur um Geländegewinne. Auch die Iraner und Russen sind an der Kontrolle im Norden Syriens interessiert, vor allem Teheran will den Einfluß der Schiiten bis an die Grenzen Israels tragen. Deshalb ist es gut möglich, daß Israel selbst die Kurden mit Waffen versorgt. Der Konflikt, den Erdogan jetzt vom Zaun bricht, hat das Potential eines regionalen Flächenbrands. Jerusalem oder Ankara – auf das sich wie immer peinlich anbiedernde oder feige zurückhaltende Berlin kommt ein Dilemma zu.