© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Ein eidgenössisches Problem
Geldpolitik: Die Schweizerische Nationalbank hat 2017 einen Gewinn von 54 Milliarden Franken erzielt / Wirklich ein Grund zum Freuen?
Philipp Bagus

Die Bundesbank hat 2016 einen Jahresüberschuß von einer Milliarde Euro erzielt. Im Vorjahr waren es noch 3,2 Milliarden Euro gewesen. Der Gewinn sei geringer ausgefallen, weil die Bundesbank ihre Risikovorsorge erhöht habe, erklärte dazu Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Die Wagnisrückstellung sei dabei um 1,8 auf 15,4 Milliarden Euro aufgestockt worden. Dies sei vor allem auf Zinsänderungsrisiken zurückzuführen, die sich aus den wachsenden Wertpapierbeständen im Rahmen der verschiedenen geldpolitischen Ankaufprogramme (sprich: Euro- und Staatenrettung) ergäben.

Welchen Jahresüberschuß die Bundesbank voriges Jahr erzielte, wird erst im Februar bekanntgegeben – aber 46 Milliarden Euro werden es sicher nicht sei. Diese Summe in Franken erzielte 2017 die Schweizer Nationalbank (SNB). Bei dem Rekordgewinn von 54 Milliarden Franken kommen pro Kopf auf jeden Schweizer 6.600 Franken. Das klingt gut – aber es gibt eine Schattenseite: Um die eigene Währung zu schwächen und die heimischen Exporteure auf Kosten der Konsumenten zu stützen, kauft die SNB seit Jahren Wertpapiere mit neu produzierten Franken. Die SNB-Devisenreserven sind von 50 Milliarden Franken Anfang 2008 auf 780 Milliarden Franken im November 2017 angewachsen.

Währungsreserven machen mittlerweile 94 Prozent der Bilanzsumme aus. Im Zuge dieser Käufe ist die SNB-Bilanzsumme auf 122 Prozent des schweizerischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) angewachsen. Das ist Weltrekord. Die Höhe an Währungsreserven bedeutet, daß Wechselkursänderungen sich enorm auf die Buchwerte in der Bilanz auswirken. Verliert der Franken gegenüber dem Euro an Wert, steigen die in Euro notierten SNB-Anlagen im Wert.

Da der Franken gegenüber dem Euro um 8,7 Prozent einbüßte, entstanden riesige Buchgewinne. Die Goldreserven der SNB stiegen 2017 in Franken gerechnet um 8,2 Prozent, was drei Milliarden Franken Gewinn bedeutet. Daneben hat die SNB mehrere 100 Milliarden Franken in ausländische Aktien investiert und ist zum Großaktionär bei Microsoft, Apple, Amazon, Facebook und Starbucks avanciert. Auch die Entwicklung dieser Aktienpakete trug 2017 positiv zum Rekordgewinn bei.

Der Gewinn einer Zentralbank ist von anderer Natur als der Gewinn von Privatunternehmen. Schließlich ist das einzige Produkt, das eine Zentralbank produziert und das zudem durch ein Monopol geschützt ist, ihre eigene Währung, deren Herstellung praktisch nichts kostet. Eine Zentralbank kann im Gegensatz zu Privatunternehmen daher Verluste erleiden und bilanzinsolvent werden, ohne ihren Betrieb einstellen zu müssen. Schließlich könnte beispielsweise die SNB einfach neue Franken drucken, um ihre Rechnungen zu begleichen.

Die Bilanzqualität der SNB ist dramatisch gesunken

In der Tat operierte die tschechische Zentralbank (CNB) jahrelang mit negativem Eigenkapital. Die Krone hatte aufgewertet, wodurch die tschechischen Devisenreserven in Kronen bilanziert an Wert verloren. Diese Verluste erschütterten jedoch nicht die Stabilität der Währung – im Gegenteil waren sie Resultat einer starken Krone und in dieser Hinsicht positiv zu bewerten. Umgekehrt verhält es sich mit der SNB. Immerhin standen dem Buchgewinn der SNB ganz konkrete Verluste der Schweizer Bürger gegenüber, die Ende 2017 etwa neun Prozent mehr für Produkte und Dienstleistungen aus dem Euroraum zahlen mußten als noch zu Jahresbeginn.

Der Rekordgewinn sollte auch nicht verschleiern, daß die Bilanzqualität der SNB dramatisch gesunken ist. Die Goldquote, also der Anteil der Goldreserven im Verhältnis zur Bilanzsumme, ist in den vergangenen Jahren eingebrochen, während das Gewicht von Anleihen und Aktien gestiegen ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit des Bilanzgewinns. Steigen die Zinsen in Zukunft wieder, droht ein Debakel am Anleihemarkt und für die SNB-Bilanz. Ebenso drohen bei einer Schwäche des instabilen Euros oder gar einem Krach der Gemeinschaftswährung Riesenverluste. Selbst die Buchgewinne des Aktienpakets könnten schnell verrinnen. Schließlich spricht einiges dafür, daß wir uns in einer Blase befinden, deren Platzen die wahre Qualität der SNB-Bilanz ans Tageslicht brächte. Zwar könnte man argumentieren, daß die Aktiengewinne nicht aus einer Blasenentwicklung an den Börsen, sondern daraus resultierten, daß die SNB-Banker einfach besonders gewiefte Anleger seien mit einem Riecher für unterbewertete Aktien. Dann stellt sich jedoch die Frage, ob die SNB wirklich die Qualität des Franken mit Aktienspekulation aufs Spiel setzen oder ob sie die Aktienanlage nicht lieber privaten Aktienfonds überlassen sollte.

Ein großer Nachteil des SNB-Gewinnes ist es, daß ein Teil, zwei Milliarden Franken, an Bund und Kantone ausgeschüttet wird. Durch die Ausschüttung von Buchgewinnen entkapitalisiert sich die SNB und entzieht ihrer Währung Substanz. Die Buchgewinne können sich bei Zinserhöhungen, einem Anleihen- und Aktienkrach oder einer Euroschwäche in Luft auflösen und in Verluste umkehren. In Zeiten dieser Verluste bräuchte die SNB dringend die Substanz, die sie nun ausschüttet.

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Verzerrungen, die durch die Ausschüttung in der Privatwirtschaft erfolgen. Schließlich wird die Politik das Geld mit vollen Händen ausgeben und damit der Privatwirtschaft wichtige Ressourcen entziehen oder durch Subventionen den Wettbewerb verzerren. Zudem weckt der Riesengewinn von 54 Milliarden Franken weitere politische Begehrlichkeiten über die ausgeschütteten zwei Milliarden Franken hinaus, so daß noch größeres Ungemach droht. Insgesamt ist der SNB-Gewinn also kein Grund zur Freude für die Schweizer. Denn er ist ein Zeichen der Schwäche der eigenen Währung, Resultat riskanter Investitionen, ein Abbild der Verwässerung und Gefahren der SNB-Bilanz, und seine Ausschüttung bedeutet einen Qualitätsverlust für die Schweizer Währung.






Prof. Dr. Philipp Bagus lehrt VWL an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid. 2017 veröffentlichte er mit Andreas Marquart das Buch „Wir schaffen das – alleine! Warum kleine Staaten einfach besser sind“ (Finanzbuch Verlag).

 www.philippbagus.de