© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

„Schon jetzt massive Auswirkungen“
Abfallwirtschaft: Chinesische Importverbote für Kunststoff- und Texilabfälle, Altpapier und Schlacken von Eisenhütten / Umdenken nötig
Christian Schreiber

Vom billigen Spielzeug bis zum teuren iPhone, vom Haushaltsgerät bis zu Markenschuhen – die meisten Konsumgüter sind inzwischen „Made in China“. Meist billig und nichts für die Ewigkeit, wurde nach Gebrauch im Gegenzug auch der entsprechende Abfall und Schrott wieder nach China verschifft. Damit ist seit Jahrsanfang Schluß. Die Regierung in Peking hat ihr im Juli 2017 bei der Welthandelsorganisation (WTO) notifiziertes Importverbot für unsortierte und gemischte Kunststoffabfälle, alte CDs, unsortiertes Altpapier, Textilabfälle sowie Schlacken aus der Eisen- und Stahlherstellung konsequent in Kraft gesetzt.

Wer übernimmt künftig unsere Kunststoffabfälle?

Ab März ist auch der Import sortierter Kunststoffabfälle, sortierten Altpapiers sowie verschiedener Holzabfälle und von Schrott verboten. Dies bedeute, „daß es die chinesische Regierung mit ihrer breitangelegten Initiative in Richtung Entsorgungsautarkie ernst meint. Für die europäische Entsorgungswirtschaft hat das schon jetzt massive Auswirkungen“, erklärte Peter Kurth, Präsident des Entsorgungsverbandes BDE. Die Kreislaufwirtschaftspolitik müsse nun reagieren: „Investitionen in Recycling müssen durch geeignete Rahmenbedingungen gefördert und der Marktzugang für recycelte Materialien verbessert werden. Qualitativ hochwertige Sekundärrohstoffe dürfen gegenüber Primärrohstoffen nicht ins Hintertreffen geraten.“

China ist nicht nur der weltgrößte Plastikproduzent, sondern war bislang auch der weltgrößte Importeur von Plastik- und anderem Abfall. China hat den westlichen Plastikabfall zum Teil auch benötigt, weil das im Land hergestellte oft von schlechter Qualität ist und sich nicht zum Recyceln eignet, aber eine große Nachfrage nach Plastik besteht. 2016 kamen mehr als sieben Millionen Tonnen Plastikabfälle nach China, 1,6 Millionen Tonnen davon stammten aus Europa. In den vergangenen zehn Jahren wuchsen die chinesischen Abfallimporte um das Zehnfache.

Damit ist nun Schluß – aber „es gibt gegenwärtig keine vernünftige Alternative, die Materialien, die bisher nach China exportiert wurden, auf andere Exportmärkte umzulenken“, klagte Herbert Snell, Vizepräsident des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), im Focus. Das Importverbot treffe Deutschland hart, denn 2016 seien mehr als 560.000 Tonnen Altplastik in die Volksrepublik exportiert worden. „Viel Plastikmüll wird künftig in Deutschland bleiben. Das ist mehr, als Deutschland derzeit recyceln kann. Dieser Plastikabfall kann zwar zwischengelagert werden, die Kapazitäten, um ihn zu recyceln, gibt es in Deutschland momentan aber noch nicht“, so der BVSE.

Umweltexperten sehen lediglich eine Verlagerung des Problems entstehen. „Ein Großteil des Mülls wird nach Polen, Rumänien oder Bulgarien gehen und dort deponiert werden“, prognostizierte Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, in der Welt. Man habe in Deutschland zwar einige Lager für Verpackungsabfälle, deren Kapazitätsgrenzen seien aber mittlerweile erreicht. Die EU-Richtlinien sehen zwar ein Verbot des Müllexports auf ausländische Halden vor, aber ob dort wirklich nachhaltig kontrolliert wird, ob der Abfall tatsächlich wiederaufbereitet wird, sei fraglich. In Zukunft werde wohl behauptet, daß der nach Südost- oder Osteuropa exportierte Plastikmüll dort sortiert und aufbereitet wird. Doch in Wahrheit laufe das Material, wenn überhaupt, allenfalls schnell durch eine Sortieranlage.

Es gibt aber auch Stimmen, die eine Chance für einen ganzen Industriezweig und einen langfristigen Effekt für die Umwelt sehen. Denn 2019 werden die Aufbereitungsquoten in Deutschland deutlich strenger. Dann löst das neue Verpackungsgesetz die bisherige Verpackungsverordnung ab. Das verlangt, Verpackungen zu fördern, die besonders gut wiederverwertbar sind oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind. „Bislang lehnen sich viele Hersteller von Verpackungen zurück. Obwohl sie recyclingfähiges Material produzieren könnten, stellen sie kompliziert und mehrschichtig aufgebaute Verbundstoffe her. Aber diese mehrlagigen Folien bereiten große Probleme, man kann sie oft nur aufwendig recyceln“, so der BVSE.

„Der Markt wird sich neu sortieren“

Der Grüne Punkt, der Betreiber des Dualen Systems Deutschland (DSD), glaubt, nicht direkt betroffen zu sein, weil der Inhalt der gelben Säcke oder Tonnen größtenteils in Deutschland oder Europa verwertet werde. Aber auch vom DSD kommen Signale, die auf eine veränderte Umweltpolitik hindeuten: „Der Markt wird sich neu sortieren.“ Darauf setzen auch die Umweltpolitiker. „Die Verschlechterung der Exportbedingungen nach China ist aus Umweltsicht positiv – denn damit entstehen Anreize, in Deutschland die Kunststoffabfälle besser zu sortieren und aufzubereiten sowie mehr recycelte Materialien einzusetzen“, sagte Evelyn Hagenah vom Umweltbundesamt (UBA) dem Sender Deutsche Welle. Der BDE ist skeptisch: Auch andere EU-Firmen werden wohl auf die Idee kommen, Müll verstärkt in andere Regionen zu exportieren. Die Branche suche bereits alternative Abnehmer in anderen asiatischen Staaten wie Vietnam, Malaysia oder Thailand, so der BDE-Chef Kurth in der Zeit.

Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE): www.bde.de