© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Islam-Unterricht in der Schule
Alle haben die gleiche Würde
Thomas Goppel

Sichtlich hat es zu Jahresbeginn viele überrascht, daß unser Kultusminister Ludwig Spaenle angekündigt hat, für mehr Islamunterricht an Bayerns Schulen zu sorgen. „Ausgerechnet die Bayern?“, lautete die Frage. Dabei ist das das letzte Fragezeichen, wenn jemand sich die Mühe macht, davor die politischen Positionen dieser Tage zu sichten und zu hinterfragen:

Wir leben in einem freiheitlichen Rechtstaat und einer offenen Demokratie. Die Grundauffassung, die unsere Gesellschaft zusammenhält, ist die Frage nach der Freiheit des Menschen überhaupt. Der weise Kernsatz findet sich in unserem Grundgesetz im Artikel 1 unmißverständlich realisiert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Speziell wir in Deutschland haben dazu allen Grund angesichts der Erfahrung aus der Katastrophe des menschenverachtenden Systems des Dritten Reiches. Mit den Europäern wollen wir, daß jegliche Verfolgung anderer wegen ihrer Andersartigkeit unterbleibt und haben das in unser Grundgesetz, zuletzt auch in die Europäische Gemeinschaftsordnung geschrieben. Das gilt für uns alle, alle Landsleute, die hier geboren sind und die, die es auf unterschiedlichsten Wegen zu uns verschlägt. Jeder ist vor den gesetzlichen Bedingungen des Zusammenlebens gleich. Alle haben die gleiche Würde. Ganz egal, wer er ist oder woher er kommt. Niemand muß fürchten, daß die Achtung der Menschenwürde für ihn in Frage steht. Unsere Gesetze haben eine unverrückbare Basisgröße und damit eine Grundregel, die dem einzelnen den Schutz durch die Gemeinschaft zusichert.

Schon mit dem Dreißigjährigen Krieg haben wir gelernt, daß jeder Mensch ein Recht auf ein eigenes Innenleben hat. Was wir denken und glauben, ist unsere eigene Sache. In Augenblicken, in denen wir für uns von diesem Anspruch Gebrauch machen, damit womöglich in die Würde anderer eingreifen, treten wir in einen Wettbewerb ein, der, was die weiteren Entscheidungen des einzelnen betrifft, argumentativ geführt, aber nicht unter Zwang entschieden werden darf. Freiheit beginnt eigentlich erst dort, wo ich auch „Nein“ zu allen Dingen, Menschen sagen darf und kann, die meine Entscheidung, Ein- und Unterordnung verlangen und erfordern.

Genau da stehen die Grundsätze des Islam im Widerspruch zu unserer Rechtsordnung. Der Islam in seiner ursprünglichen Form, dem Koran, läßt dem Glaubensbruder oder der -schwester diese Entscheidungsfreiheit, wie wir hören, auch, soweit das seine Lehrer gestatten. Sie tun das dort, wo eine andere Rechtsordnung gilt, wie wir wissen, nach Gusto, aber meist mit dem Verweis auf die Suren, die dem Gläubigen Gehorsam abverlangen, den wir Christen nicht der gesellschaftlichen Ahndung bei Verstößen überantworten, sondern der Verantwortung einer freiheitlichen Gewissensentscheidung zuschreiben.

Der Rechtsstaat tut alles, damit die Strategie der Islamisten nicht auf Ahnungslosigkeit trifft. Unser Kultusminister hat also recht: Wer Haßpredigern das Handwerk legen will, muß Gelegenheit geben, hinter die Kulissen der moslemischen Religion zu schauen.

Wer sich in Unterricht und Erziehung dem Korananspruch unterwirft, nie von anderen Denkweisen erfährt, verschenkt den wichtigsten Teil seiner persönlichen Freiheit: das Recht, frei zu sein für das Für und Wider, das uns selbst für alles, was wir tun, in die Verantwortung und Pflicht nimmt. Der Moslem lernt, alles Tun in die Verantwortung Allahs und auf seine Vorentscheidung abzuwälzen. Das deckt die menschliche Verantwortung gegenüber sich selbst und anderen nicht ab, ersetzt sie durch eine Rechtsnorm, die die eigene Verantwortung auch für Fehlverhalten abschiebt, obwohl das Gewissen deutlich signalisiert, daß im Einzelfall Unrecht geschieht.

Da im Islam nicht der einzelne Maßstab der Ordnung ist, sondern die Religion, sind vor allem die gefährdet, die seine Anwendung für sich nicht anerkennen wollen. Um so mehr erheben sich Prediger in der Situation zu Diktatoren gegen die persönliche Freiheit. Hinzu tritt, daß Lehrer, die im eigenen System eingeübt haben, die eigene Denke auszuschalten und durch Anordnungen und Verdikte zu ersetzen, die den Empfänger einer Information gefügig machen und von eigener Mitverantwortung freistellen, jeder menschlichen Vernunft zuwiderhandeln. Solcherlei Unterricht und Erziehung, die dem Freiheitsgedanken nicht verpflichtet sind, ist mit unserer freiheitlichen Rechtsordnung unvereinbar.

Wer dem Gedankengang bis hierher folgt, wird nachvollziehen, daß der Rechtsstaat das Bekenntnisdiktat, das der Religion Mohammeds Macht über andere verleiht, zwar im Interesse des Würdeanspruches jedes einzelnen nicht ausdrücklich untersagt, aber alles tut, damit die Unterwerfungsstrategie der Islamisten nicht auf Ahnungslosigkeit der ihnen aufgrund der Religionsfreiheit anvertrauten Klientel ungeprüft wuchert.

Unser Kultusminister hat also recht: Wer Haßpredigern das Handwerk legen will, muß Gelegenheit geben, hinter die Kulissen der moslemischen Religion zu schauen und andere im Vergleich zu bewerten, sich von daher selbst zu orientieren, eigene Freiheit und Unabhängigkeit zu entdecken und mit ihrer Hilfe in der Gesellschaft den Grundgesetzauftrag der Sicherung der Menschenwürde zu verbreiten.






Dr. Thomas Goppel, Jahrgang 1947, Staatsminister a. D., ist CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag. Der ehemalige CSU-Generalsekretär ist zudem Sprecher des von ihm mitgegründeten Arbeitskreises Christsoziale Katholiken.