© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/18 / 19. Januar 2018

Woran die Rotten kranken
Von Maismonokulturen gemäßstete Bestände fördern die Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest
Peter Felser

Spät reagiert die Politik auf die aus dem östlichen Europa kommende Afrikanischen Schweinepest (ASP/ Pestis Africana Suum). Als entscheidende vorbeugende Maßnahme gilt die drastische Reduzierung des Schwarzwildbestandes. Bauernverbandsvertreter verlangen inzwischen Abschußraten von bis zu 70 Prozent. Tierschützer glauben hingegen an die Eigenregulierung innerhalb des Bestandes. Aktuell bringen Jäger in Deutschland jährlich rund 600.000 Wildschweine insgesamt zur Strecke. Den Bestand reduziert das nicht.

Zur Steigerung der Abschußzahlen haben einige Bundesländer finanzielle Anreize von 20 Euro (Bayern) bis 50 Euro (Brandenburg) beschlossen, da die Jagd aufgrund des hohen Zeitaufwands und der Kosten zur Untersuchung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit weniger rentabel ist. Zusätzlich erleichtern sie die Wildschweinjagd rechtlich, beispielsweise durch Aufhebung der Schonzeiten bei Keilern und Bachen. Dies dürfte nur kurzfristig Wirkung entfalten. Denn mit ASP-Auftreten in Deutschland werden die Verbraucher weniger Schwarzwildfleisch nachfragen, was zu einem Überangebot an Fleisch führen wird. Damit sinken die Erträge und wiederum die Abschußzahlen. Ohne staatliche Intervention werden die Bestände – dank der guten Nahrungssituation mit klimapolitsch protegierten Energiepflanzen wie Mais und Raps – nicht sinken.

Für die Seuchenausbreitung reicht ein krankes Schwein

Das ASP-Virus betrifft ausschließlich Schweine und tötet diese mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von vier Tagen. Das macht den Verzehr theoretisch unbedenklich. Dennoch besteht Handlungsbedarf: Das Virus bedroht letztlich viele Millionen Hausschweine sowie eine Fleischindustrie mit knapp 24.000 Betrieben und etwa 120.000 Beschäftigten in Deutschland.

Um den Ausbruch der Seuche einzugrenzen, ist die Einhaltung der Hygiene-Richtlinien in der Schweinehaltung unabdingbar. Das bedeutet größtmögliche Sauberkeit von Personal und Gerätschaften, verschärfte Zugangsbeschränkungen zu den Stallungen und betriebseigene Schutzkleidung, um nur einige zu nennen. Außerdem müssen die Tierbestände durch Verbot der Freiland- und Auslaufhaltung gegen Kontakt mit Wildschweinen abgeschottet werden.

Ein einziges mit ASP befallenes Wildschwein genügt, um die Automatismen der Seuchenbekämpfung, wie in der Schweinepestverordnung geregelt, zu aktivieren. Sie gibt die Maßnahmen vor, wobei zu unterscheiden ist, ob ein Haus- oder ein Wildschwein befallen ist.

Attestieren Veterinäre das Virus bei einem Hausschwein, werden sofort alle gehaltenen Tiere gekeult und sicher beseitigt. Parallel erfolgt um den betroffenen Betrieb die Einrichtung von Schutzzonen. Aufgehoben werden dürfen diese frühestens, wenn innerhalb des Sperrbereichs 45 Tage keine weiteren Virusinfektionen nachgewiesen wurden.

Tritt die Infektion bei Wildschweinen auf, wird ein Gebiet im Radius von 15 Kilometern um den Fundort als gefährdeter Bezirk eingestuft. In Mähren wurde sogar ein 40 Quadratkilometer großer Bereich um die Ausbruchsorte mit Elektrozäunen abgegrenzt. Infolge einer Wildschweininfektion gilt ein landesweites Transportverbot für Hausschweine. Eine Aufhebung ist den Veterinärämtern frühestens ab dem sechsten Monat nach dem letzten Virusnachweis möglich.

Beim Auftreten im Wildschweinbestand tritt zudem ein generelles Exportverbot für Schweinefleisch in Drittländer außerhalb der EU in Kraft. Die Folge ist ein dramatischer Preisverfall am Schweinemarkt. Nimmt man alle Kosten für die eigentliche Seuchenbekämpfung zusammen, drohen finanzielle Belastungen im zweistelligen Milliardenbereich.

Solchen Belastungen sind viele deutsche Betriebe nicht gewachsen. Abfedern können sie ihr finanzielles Risiko durch Leistungen der Tierseuchenkasse (TSK), die dem Halter den Wert der getöteten Tiere ersetzt. Um die Kosten im Zusammenhang mit nicht vermarktbaren oder nur mit Verlust zu verkaufenden Tieren sowie Kosten eventueller Leerstandzeiten zu ersetzten, könnte für die Betriebe eine Tierertragschadenversicherung in Betracht kommen.

Blinder Aktionismus ist bei  Seuchenfällen fehl am Platz

Blinder Aktionismus ist bei Seuchenfällen fehl am Platz. Wesentliche Gefahrenquellen liegen nämlich nicht im Einflußbereich der Schweinehalter oder Jäger. Der Tourismus, das grenzüberschreitende Transportwesen sowie Transitverkehr durch Deutschland spielen für die Ausbreitung der Seuche offenbar eine wesentliche Rolle, da sie sich vermehrt via Autobahnen und Schnellstraßen ausgebreitet hat. Wildschweine fressen an Parkplätzen weggeworfene Fleischprodukte.

Auf diesem Wege und durch kontaminierte Fahrzeuge aus Richtung Osteuropa kann sich die Seuche über große Strecken schnell ausbreiten. Grenzkontrollen von Tiertransporten mit anschließenden Hygienemaßnahmen wären also hilfreich. Zumal die Erreger bis zu sieben Monate an der Luft überstehen können. Die erkrankten Wildschweine erweisen sich hingegen als standorttreu. Sie verkriechen sich in ihre Einstände, von starkem Fieber entkräftet, und sterben.

Wesentlich zur Seuchenbekämpfung ist die bundesweite Kombination möglicher Maßnahmen: die waidgerechte, das heißt Bachen mit Frischlingen aussparende Reduktion des Wildschweinbestandes und die Umzäunung noch nicht gesicherter Parkplätze an Autobahnen, sowie die tägliche Leerung der Mülltonnen auf Rastplätzen. Hinzutreten muß die Entwicklung eines Impfstoffes.

Peter Felser ist bayrischer Jäger, Landwirt und AfD-Vizefraktionschef im Bundestag.

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