© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/18 / 26. Januar 2018

Anekdoten und Absurditäten
Feminismus: Birgit Kelle und der Blogger Don Alphonso diskutieren in Berlin über Sexismus und #metoo
Fabian Schmidt-Ahmad

Zwei Jahre nach den massiven Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln, und Deutschland debattiert – über schlüpfrige Witze, falsch geparkte Männerhände und ähnliche sexuelle Schandtaten, die sich teilweise vor Jahrzehnten ereignet haben sollen. Ein offenkundiger Widerspruch, dem in Berlin auf einer Podiumsdiskussion mit der Bestsellerautorin Birgit Kelle und dem Blogger Don Alphonso nachgegangen wurde. Eine launige Annäherung an ein ernstes Thema. Geladen hatte die Initiative „Frauen für Freiheit“, die als Reaktion auf das Schweigen nach den Ereignissen in der Domstadt entstand.

Moderiert wurde die Diskussion von Initiativgründerin Rebecca Schönenbach, die auch den Part des Advocatus Diaboli übernahm. Die ursprünglich dafür vorgesehene Feministin hatte abgesagt. Schuld war diesmal nicht das Patriarchat, sondern Druck aus der Szene. So war es Schönenbach, die die Veranstaltung mit der provokanten Frage einleitete, ob nicht konservative Wertvorstellungen, wie sie der aus Oberbayern stammende Don Alphonso und „Muttertier“ Kelle vertreten, dem islamischen Frauenbild entsprächen.

„Die glückliche Mutter am Herd, ist das nicht etwas, das auch euch sehr entgegenkommt?“ Kelle konterte, daß sie eher Parallelen zwischen dem heutigen Feminismus und Islamisten sehe. Es sei erstaunlich, wenn Jungfeministinnen Vorstellungen zur Bekleidungen entwickelten, die mit denen eines Salafisten wie Pierre Vogel einhergingen. „Wenn nackte Haut zu zeigen uns neuerdings degradiert und das Kopftuch das neue Symbol der Freiheit der Frau ist“, zeige das eher eine bemerkenswerte Konformität.

Don Alphonso – schneidig angetreten in Trachtenjanker und Kniebundhose – offenbarte dazu in dem Gesprächskreis geheime Phantasien. Als junger Mann in München habe er einen Skandal erlebt. Ein Restaurant warb damals mit dem Bild einer Frau, an deren Dekolleté eine Nudel klebte. Von hinten versuchte eine Männerhand diese Nudel zu greifen. Aufruhr bei der CSU, die das Plakat verbieten lassen wollte. SPD und Grüne stemmten sich im Stadtrat erfolgreich dagegen, die Werbung durfte bleiben.

Jetzt sei aktuell in München ein neuer Streit entbrannt. Ein großes Plakat an einem Baugerüst wirbt mit dem Bild einer Frau im Bikini. Nun seien es SPD und Grüne, die im Stadtrat dagegen Sturm liefen, während die CSU gar kein Problem erkennen könne. „Ich habe mich nicht entwickelt. Ich fand das Plakat damals gut. Und das Plakat heute finde ich auch gut.“ Doch was ist mit den Parteien. „Ist die CSU heute eine linke Partei und damals nicht? Oder sind jetzt SPD und Grüne rechte Parteien?“

Anekdoten, Absurditäten und Paradoxien wurden an dem Abend zusammengetragen, die alle auf eine Frage hinausliefen: Wie kann es sein, daß man sich einerseits über Nichtigkeiten empört, andererseits aber schweigend hinnimmt, daß der öffentliche Raum für Frauen immer kleiner wird? Schönenberger verwies auf die überkommene Vorstellung des Feminismus, Minderheiten stünden zwar in Unterzahl zur Mehrheit, „aber alle Minderheiten zusammen sind die Mehrheit“. So habe sich eine Solidarität entwickelt.

Kelle bemerkte dazu, daß der Feminismus überhaupt nicht damit umgehen könne, „wenn die Opfergruppen aufeinander losgehen“. Adressat für Beschwerden sei immer nur die Gesellschaft. Diese Hilflosigkeit zeige sich, wenn Straftaten mit moslemischem Hintergrund verschwiegen oder zu allgemeiner „Männergewalt“ umgedeutet würden. Was Schönenbachs einleitende Frage zum Unterschied des europäischen und des islamischen Frauenbildes betrifft, so gab sie sich im Laufe des Abends selbst die Antwort.

Ausgerechnet Donald Trumps berüchtigte „Grab her by the pussy“-Umkleiderede, die Schönenbach als „absolut widerlich“ bezeichnete, diente zur Klärung. So habe Trump in dieser geschildert, wie er einer verheirateten Frau nachstellte, sie mit Geschenken überhäufte, aber schlußendlich sich sein Versagen eingestehen mußte. „Sie hat ‘Nein‘ gesagt“, und er hatte das zu akzeptieren. Trotz seiner gewaltigen Machtposition mußte Trump also auf den Willen dieser Frau Rücksicht nehmen.

Eben diese individuelle Willensfreiheit mache den Unterschied aus, war Konsens an diesem Abend. Es sei die freie Entscheidung einer Frau, sich zu kleiden wie sie wolle, betonte Kelle. Statt dessen würden in Kampagnen wie aktuell #metoo tatsächliche Mißstände mit haltlosen Unterstellungen vermengt, die den Blick auf die eigentlichen Probleme verstellten. Warum das so ist, wurde im anschließenden Gespräch mit dem Publikum erörtert. Eine Erklärung, die dabei als Motiv immer wieder genannt wurde, war – Feigheit.

Die Feigheit, sich sein eigenes, ungeheures Versagen einzugestehen.