© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Am Gelde hängt doch alles
Haushaltsausschuß: Hier werden die wichtigsten Entscheidungen des Bundestages getroffen
Paul Rosen

Der Haushaltsausschuß gilt als „Königsausschuß“ des Bundestags. Seitdem die Parlamente Kaisern, Königen und Präsidenten das Budgetrecht abgerungen haben, können die Herrschenden – jedenfalls in der Theorie – nicht mehr ungehindert schalten und walten, sondern brauchen einen vom Parlament beschlossenen Haushalt. 

In der Bundesrepublik wird der von der Regierung eingebrachte Etat zunächst vom Haushaltsausschuß des Bundestages durchgearbeitet und für den Parlamentsbeschluß vorbereitet. Dem Gremium gehören 41 (neue Legislaturperiode: 44) Mitglieder an. Der Bundestag ändert in der großen Haushaltsdebatte nichts mehr, sondern stimmt im Regelfall den Empfehlungen des Haushaltsausschusses zu. 

Ebenso wichtig: Nach dem Inkrafttreten des in Deutschland jeweils für ein Kalenderjahr beschlossenen Haushalts überwacht der Haushaltsausschuß den Vollzug des Haushalts. Braucht die Regierung mehr Geld, wird von Haushaltsausschuß und Parlament ein Nachtrags-etat beschlossen. Besonders wichtig ist der Einfluß des Gremiums auch auf die Stellenpläne. Jede Arbeitsstelle in einer Bundesbehörde, in einem Ministerium, im Präsidialamt, im Bundestag und im Bundesrat hängt von seiner Zustimmung ab. 

Um die größtmögliche Unabhängigkeit von der Regierung zu gewährleisten, sollte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses nach ungeschriebenen Regeln des Parlaments von der Opposition gestellt werden – und traditionell von der größten Oppositionspartei. So war in der vergangenen Legislaturperiode Gesine Lötzsch von der Linkspartei Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Von 2009 bis 2013 (Union/FDP) saß Petra Merkel (SPD) dem Gremium vor, 2005 bis 2009 (Große Koalition) Otto Fricke (FDP). Im neuen Bundestag wäre nach Bildung einer neuen Großen Koalition die AfD stärkste Oppositionsfraktion und hätte eigentlich das Recht, den Vorsitzenden zu bestimmen. Ein Ausschußvorsitzender im Bundestag wird nicht gewählt, sondern in einer Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen bestimmt. Erst wenn sich im betroffenen Ausschuß Widerstand gegen eine Bestimmung regen würde, würde es zu einem Wahlverfahren kommen können. Regeln dazu gibt es aber nicht. 

Ein Ausschußvorsitz ist eine Schlüsselfunktion im Parlament, und für den Haushaltsausschuß gilt dies besonders. Der Vorsitzende hat Einfluß auf Tagesordnungen, Sitzungsabläufe, Anhörungen und „herrscht“ faktisch über das Ausschußsekretariat, das aus Haushaltsexperten der Bundestagsverwaltung besteht und eine Art „Herzkammer“ des Ausschusses bildet.  

Das System gilt als korruptionsanfällig

Wie die Parlamentspraxis aussieht, ist am bedeutenden Einzelplan 14 (Verteidigung) zu sehen. Es ist nicht etwa der  Verteidigungsausschuß, der über den Kauf neuer Rüstungsgüter zu entscheiden hätte. In Wirklichkeit fällt die Entscheidung über den Kauf von Rüstungsgerät im Haushaltsausschuß und dort nicht in großer Runde, sondern wird von den „Berichterstattern“ der Fraktionen vorbereitet. Berichterstatter gibt es für jeden Einzelplan des Bundeshaushalts von jeder Fraktion – vom Einzelplan 1 (Präsidialamt) bis zum Entwicklungshilfeministerium (Einzelplan 23).

Diese Berichterstatter entscheiden im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Ministerium über Investitionen, Sach- und Personalausgaben. Die Berichterstatter legen dann mit den haushaltspolitischen Sprechern der Fraktionen die Haltung der Fraktion fest. Das System gilt als korruptionsgefährdet. Sehr schnell getroffene Schiffs-Entscheidungen für die Marine werden etwa auf den Einfluß der „Küsten-Gang“ im Haushaltsausschuß, bestehend unter anderem aus den norddeutschen Abgeordneten Eckhardt Rehberg (CDU), Johannes Kahrs (SPD) und früher Jürgen Koppelin (FDP), zurückgeführt, die sich eifrig für die Werftstandorte in ihrer Heimat einsetzen. CSU-Abgeordnete wie früher Bartholomäus Kalb achteten auf Luftwaffenprojekte, weil viele Hersteller ihren Sitz in Bayern haben.  

Transparenz ist im Haushaltsausschuß schon lange nicht mehr gesichert. Beispiel dafür ist die nächtliche „Bereinigungssitzung“ kurz vor der Endabstimmung über den Bundeshaushalt. Dort werden in schöner Regelmäßigkeit zuvor getroffene Beschlüsse über Einzelpläne teils erheblich geändert. Wenn die Fraktionen mehr Geld haben wollen, wird dies in der Bereinigungssitzung beschlossen. Ein unabhängiger Vorsitzender könnte hier für mehr Transparenz sorgen. 





Kontrollrechte kassiert

Noch vor der konstituierenden Sitzung des Haushaltsausschusses sprach die JUNGE FREIHEIT mit dem Haushaltspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Peter Boehringer über parlamentarische Kontrolle und von Medien verbreitete Vorwürfe gegen seine Person. Zum Haushaltsausschuß gehört ein Sondergremium, das die Beteiligungsrechte des Parlaments am ESM wahrnehmen soll. Damit kontrollieren die Abgeordneten allerdings nur einen kleinen Teil der Euro-Rettungs-Gelder. „Das Problem ist, daß der allergrößte Teil der Euro-Rettung – ungefähr eine Billion pro Jahr – beim Haushalt der Europäischen Zentralbank EZB angesiedelt ist, und der wird gar nicht kontrolliert“, moniert Boehringer. „Im Zuge der geplanten Umwandlung des ESM in einen Europäischen Währungsfonds würden selbst diese wenigen Zustimmungsrechte auch noch kassiert werden.“ Der EWF führe dazu, „daß die Rechenschaftspflicht nicht mehr gegenüber dem Bundestag besteht, sondern – wenn überhaupt – dann gegenüber dem EU-Parlament.“ Und wer das auch nur ein bißchen kenne, der wisse, daß dort „nichts kontrolliert wird“, ist der Finanzexperte überzeugt. Den von einigen Medien erhobenen Vorwurf, er verbreite „Verschwörungstheorien“, weist Boehringer entschieden zurück: „Es werden permanent Macht und Geld an Institutionen in Brüssel abgegeben, es läuft auf einen Superstaat EU hinaus. Das ist für mich eine glasklare Tatsache und keine Verschwörung.“