© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Jeder sieht viel besser aus
Modefotografie: Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg gibt einen Überblick das Schaffen von Madame d‘Ora
Doris Blum

Sie war eine Pionierin der Modefotografie und eine der ersten erfolgreichen Fotografinnen überhaupt: Dora Kallmus (1881–1963), in Wien geborene Tochter eines Prager Rechtsanwalts, die sich als Künstlerin – nicht zuletzt wegen ihrer Liebe zu Paris und zur französischen Lebensart – schlichtweg Madame d’Ora nannte. Anno 1907 – mit gerade mal 26 Jahren – eröffnet sie in ihrer Heimatstadt ihr erstes Fotoatelier, wo sich Adel und High Society ebenso wie die Wiener Bohème schon bald die Klinke in die Hand geben. Denn kaum jemand erschafft zu Beginn des 20. Jahrhunderts so traumhafte Porträts wie sie. Da sieht einfach jeder viel besser aus, als er de facto ist.

Zu den Höhepunkten ihrer frühen Fotokunst gehören Bilder der Primaballerina Anna Pawlowa und der Operettendiva Fritzi Massari, der Modeschöpferin Coco Chanel und der Modistin Madame Agnès, des Choreographen Serge Lifar und immer wieder des von ihr bewunderten Chansonniers Maurice Chevalier. Dazu kommen Intellektuelle wie die Kulturkritiker Karl Kraus und Hermann Bahr, der Dramatiker Arthur Schnitzler mit Gattin, der Literat Somerset Maugham, die Maler Gustav Klimt und Max Liebermann, der Musiker Alban Berg.

Die Fotos erreichen eine malerische Qualität

„Madame d’Ora, machen Sie mich schön!“ raunt ihr damals manch feine Kundschaft ins Ohr. Und unter diesem Titel präsentiert das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) nun auch eine erste umfassende Werk-Ausstellung der Künstlerin. Zu sehen sind 250 Fotos, Modeobjekte, Kostüme, Filmplakate, Zeitschriften, Manuskripte. Die Schau wurde in Zusammenarbeit mit dem Fotoinstitut Bonartes, dem österreichischen Zentrum für historische Fotografie erarbeitet und wird anschließend noch in Wien und New York gezeigt.

1925 verläßt Dora Kallmus Wien und eröffnet ein Studio in Paris, der damaligen Mode-Metropole schlechthin. Fixsterne der Haute Couture wie Elsa Schiaparelli, Edward Molyneux, Cristóbal Balenciaga, Jeanne Lanvin, Sonia Delaunay machen hier gerade Furore und ziehen die modeverliebte Wienerin unweigerlich in Bann. Die glamourösen Kreationen der namhaften Designer gekonnt in Szene zu setzen erscheint ihr nun viel interessanter als die simple Porträt-Fotografie. Kostbare Roben aus Samt und Seide, prächtige Pelze und sündhaft teuren Schmuck inszeniert die Fotografin fortan auf den Körpern bekannter Stars wie auf einer Bühne. Und diese Fotos erreichen eine geradezu malerische Qualität und machen sie weltberühmt. Gleichsam zu ihrem Markenzeichen wird ihre 1928 entstandene Aufnahme der Tänzerin und Sängerin Josephine Baker, die sich nackt und auf Knien, nur mit zwei kostbaren Armbändern geschmückt, präsentiert.

Charmant und liebenswert altmodisch kommen die schwarz-weißen und brauntonigen Fotos daher und lassen den Betrachter träumen von anno dazumal. So hätte das Leben ganz gut weitergehen können für die erfolgsverwöhnte Künstlerin. Ging es aber nicht. Kein bißchen strahlend, sondern hart und schonungslos geht die Ausstellung weiter, wenn sie das wenig bekannte Nachkriegswerk der Fotografin vorführt.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Paris anno 1940 war Madame d’Ora zunächst nach Südfrankreich gezogen. Arbeit hatte sie kaum noch. Das Interesse an Mode hielt sich in jenen Kriegstagen überall in Grenzen. Als Jüdin fürchtete sie überdies die Deportation. Doch es ging für sie glimpflich ab. Und gleich nach Kriegsende bekam sie auch wieder Boden unter die Füße und erhielt lukrative Aufträge. Für die Uno fotografierte sie in den Flüchtlingslagern von Wien und Salzburg die Serie „Displaced Persons“. Ausgemergelte, im Niemandsland gestrandete, trostlose Gestalten sieht man da vor sich hin leben – sie muten gerade heute wieder recht aktuell an.

Ein später, jedoch vielbeachteter großer Werkzyklus entsteht Mitte der fünfziger Jahre in Paris. Da knüpft die Fotografin an ihre frühen Arbeiten an und sucht noch einmal ihre geliebten „Promis“ auf. Doch die einstigen Helden sind ein wenig müde geworden und gnadenlos gealtert. Resigniert haben sie deswegen aber noch lange nicht. Und so setzt Frau d’Ora sie nun ins Bild: Anrührend muten diese ungeschönten Fotos an und menschlicher als je zuvor. Denn in den Bildern steckt ganz viel gelebtes Leben.

Da sitzt der legendäre Ballett-Impresario Marquis George de Cuevas altersschwach im Rollstuhl, doch immer noch umringt von den schönen Beinen seiner Ballerinen, die ihn sichtlich aufmuntern. Das Gesicht von Maurice Chevalier ist von Falten und Runzeln durchzogen, doch er lächelt im Schlaf, als blicke dieser einstmals unwiderstehliche Liebling der Damenwelt auf ein alles in allem recht erfülltes Leben zurück. Die Schriftstellerin Colette, inzwischen an die achtzig, hat noch immer so wunderschöne ausdrucksstarke Augen wie in ihrer Jugend. Und der ebenfalls bald achtzigjährige poetische Pariser Clown François Fratellini trotzt den Jahren und präsentiert sein grell weiß geschminktes Gesicht so unverfroren und selbstverständlich, als gäbe es das Alter gar nicht, zumindest nicht für einen Spaßmacher wie ihn. Ein Quantum Trost fürs Publikum ist das gewiß. 

Die Ausstellung „Madame d’Ora: Machen Sie mich schön!“ ist bis zum 18. März im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, Steintorplatz, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr, zu sehen. Tel: 040 / 42 81 34-880

Der Katalog (Brandstätter Verlag) mit 348 Seiten kostet im Museum 39,90 Euro.

 www.mkg-hamburg.de