© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Schulterschluß in Sachsen
AfD-Parteitag: Der Landesverband wählt Jörg Urban zum neuen Vorsitzenden
Björn Harms

Am frühen Sonntag nachmittag zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen bei den Parteimitgliedern der sächsischen AfD. Die Redebeiträge auf dem Landesparteitag in Hoyerswerda ziehen sich zäh in die Länge, und die Aufmerksamkeit der Anwesenden läßt spürbar nach. Plötzlich aber wird es spannend: 

Pegida-Chef Lutz Bachmann taucht überraschend auf der zentralen Besuchertribüne auf und genießt die ihm sich bietende Aufmerksamkeit. Kurze Zeit später lehnt auch sein Vize, Siegfried Daebritz, direkt gegenüber der Pressetribüne grinsend über der Balustrade. Mit den Medien wollen die beiden Pegida-Vertreter nicht reden. Es genügt ihnen, Präsenz zu zeigen, um ein Signal zu senden, daß sich bereits vorher angedeutet hatte: Pegida und die AfD Sachsen proben den Schulterschluß.

„Pegida auf der Straße, die AfD im Parlament“, verkündet auch Jörg Urban in seiner Vorstellungsrede für die Bewerbung zum Landessprecher. „Wir im Osten wissen, was Pegida ist, wer da auf der Straße ist und was für Leute das sind“ betont der 53jährige unter lautem Beifall. Es müsse gelingen, die verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei zu einen. Soziale, Konservative und Liberale müßten in der AfD zusammenarbeiten. Nur so könne die Partei bei der Landtagswahl 2019 stärkste Kraft werden. 

Mit über 90 Prozent der Stimmen sprechen sich die rund 400 anwesenden Delegierten für Urban als Nachfolger der inzwischen aus der Partei ausgetretenen Frauke Petry aus. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht, da der Leipziger Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese seine Kandidatur kurz vor der Abstimmung überraschend zurückzieht. „Mit Urban war dieser Schritt nicht abgesprochen“, erklärt Droese der JUNGEN FREIHEIT. Er habe lediglich auf kritische Stimmen innerhalb der Partei reagiert, die sein Bundestagsmandat mit einem gleichzeitigen Landesvorsitz für schwer vereinbar hielten. „Die AfD Sachsen muß vorankommen, meine Person steht dabei hintenan“, bekundet Droese, der später zum 1. Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wird. Ob der Auftritt Bachmanns ein Problem darstelle? „Nein“, macht Droese deutlich. Die Besuchertribüne sei für jeden geöffnet. Er habe sogar kurz mit Daebritz gesprochen. Hinsichtlich einer Zusammenarbeit liege „der Ball jetzt im Feld der Pegida“. 

Offiziell wird über die Öffnung zu Pegida nicht abgestimmt. Derzeit verbietet ein Beschluß des Bundesvorstandes vom Mai 2016 die Zusammenarbeit mit dem islamkritischen Bündnis. Auch den mit Spannung erwarteten Änderungsantrag zur „Unvereinbarkeitsliste der AfD“ zieht der Bundestagsabgeordnete Detlev Spangenberg kurz vor Ende des Parteitags überraschend zurück. Darin hatte er die sächsische AfD aufgefordert, sich beim Bundesvorstand für eine Kürzung der Liste einzusetzen. Sie zählt Vereine und Organisationen auf, deren Mitglieder die AfD nicht aufnehmen darf.

Den Ton auf dem Parteitag in Hoyerswerda gibt derweil der nationalkonservative Flügel an. Als der geladene Gastredner aus Sachsen-Anhalt, der dortige Landeschef André Poggenburg, Grüße vom Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke bestellt, schallen laute „Höcke, Höcke“-Rufe durch die Halle. Die Bestätigung des Parteirechtsaußens Jens Maier für ein Amt im Landesschiedsgericht wird mit tosendem Applaus begrüßt. Auch die Redebeiträge der sächsischen Parteimitglieder sprechen eine deutliche Sprache. „Es gründet sich eine Alternative Mitte, und keiner weiß eigentlich, wofür wir die brauchen“, beklagt ein Delegierter. „Gott schütze unsere Nation“, fordert ein anderer.

Gleichzeitig wird deutlich: Dem Ziel, stärkste Kraft bei der Landtagswahl zu werden, ordnet die Parteibasis alles andere unter. „Wir müssen nur noch nach vorne schauen“, betonen zwei Mitglieder aus dem Kreisverband Zwickau im Gespräch mit der JF. Unter die Ära Petry müsse endlich ein Schlußstrich gezogen werden.

Auch der geladene Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz schwört die Anwesenden auf das Wahljahr 2019 ein. „Sachsen hat eine Leuchtturmfunktion“, ruft Kalbitz in den jubelnden Saal hinein. Dort werde die AfD schneller in die Verantwortung kommen als in den restlichen Bundesländern. Poggenburg attestiert den sächsischen Parteifreunden ebenfalls hervorragende Zukunftsaussichten. „2019 wird die AfD stärkste Kraft in einem deutschen Parlament sein. Das ist ein Novum“, verkündet er.

Unmöglich ist das nicht. Schließlich erzielte die AfD in Sachsen bei der Bundestagswahl mit 27 Prozent das beste Ergebnis aller Parteien. Derzeit liegt sie allerdings in Umfragen rund zehn Prozent hinter der CDU. Gegenüber der JF fordert Siegbert Droese deshalb eine stärkere Vernetzung der Partei. Ein Fortschritt lasse sich nur durch Konsultationen der einzelnen Landesverbände erreichen. Gemeint sind damit vor allem die ostdeutschen Bundesländer. Ausgangspunkt dieser Zusammenarbeit soll die vom Kreisverband Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge organisierte Veranstaltung „Zeitenwende“ am Aschermittwoch werden. Neben dem sächsischen Vorsitzenden Jörg Urban sollen dort auch Björn Höcke, André Poggenburg und Andreas Kalbitz als Gastredner sprechen. Laut Veranstalter wurden bislang mehr als tausend Karten verkauft.