© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Viele ungeklärte Fragen und eine Rolle rückwärts
AfD-Fraktion im Bundestag: Eine Veranstaltung zum Thema Antisemitismus gerät zur Lobbyarbeit für die russische Regierung
Thorsten Brückner

Ich habe das Gefühl, daß ich mich geirrt habe“, entschuldigte sich der israelische Ex-Minister Rafael Eitan im Interview mit dem Radiosender 103-FM für sein Lob an die AfD. In einer Grußbotschaft an die Bundestagsfraktion anläßlich ihrer Veranstaltung über alten und neuen Antisemitismus hatte Eitan gesagt: „Die AfD ist wichtig, um die falsche Politik der offenen Grenzen zu stoppen, die sich fatal auf die Welt auswirkt.“ Und: „Die Moslems werden die freie demokratische Gesellschaft in etwas anderes verwandeln.“ Die Grenzen nicht zu sichern, sei ein Ausdruck von Schwäche. An die Adresse der Partei gerichtet sagte der 91jährige, der 1960 der maßgebliche Kopf hinter der Gefangennahme des NS-Verbrechers Adolf Eichmann in Argentinien war: „Sie haben mehr Freunde in der Welt, als sie denken.“ 

In Israel hagelte es daraufhin Kritik an Eitan. Zahlreiche Medien griffen seine Äußerungen auf. Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, wählte scharfe Worte: Es sei „schwer zu glauben“, daß der Mann, der Adolf Eichmann festgenommen und ihn in Israel vor Gericht gebracht habe, Repräsentanten der deutschen Rechten lobe, „die die Nazi-Vergangenheit verherrlichen. Traurig und eine Schande“, so das Fazit des Botschafters auf Twitter.

Bei der AfD-Veranstaltung, die auch wegen der späten Einladung der AfD- Pressestelle an die Hauptstadtjournalisten hierzulande nur auf geringe Resonanz stieß, war mit dem früheren Knesset-Abgeordneten Michael Kleiner ein weiterer Gesprächspartner vorgesehen. Kleiner verließ allerdings kurz vor seinem Vortrag überstürzt den Bundestag.  Ein „familiärer Notfall“, hieß es von Seiten der AfD. Die heftigen Reaktionen auf Eitan im politischen Israel werfen hinsichtlich dieser Begründung jedoch Fragen auf. Zumal Kleiner nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT noch bis zum darauffolgenden Tag in Berlin weilte. 

Dritter Redner im Paul-Löbe-Haus war der frühere Chefrabbiner von Berlin und Holocaust-Überlebende Chaim Rozwaski. Seine Erzählung über die Schrecken der NS-Zeit stieß offenbar nicht bei allen anwesenden AfD-Abgeordneten auf Interesse, von denen einige während seiner Ausführungen mehr mit ihrem Handy beschäftigt waren. Nach der Schoa, berichtete Rozwaski, sei er zuerst nach Kanada, später in die USA ausgewandert. Aber erst in Berlin habe er nach vielen Jahrzehnten wieder Antisemitismus erlebt. Ihm sei auf der Straße von Türken und Arabern abfällig „Jude“ nachgerufen worden. Der Judenhaß sei in Deutschland exponentiell gestiegen. „Jüdische Kinder haben heute Angst auf der Straße“, so seine Erfahrung. Für Antisemiten sei Israel das Synonym für Juden. „Sie sagen Israel und meinen Juden“, betonte Rozwaski.

 Das bestimmende und immer wiederkehrende Thema des Abends schien hingegen eine Frage zu sein, die mit der AfD-Fraktion oder Deutschland allenfalls am Rande zu tun hat. Rußland mußte auf polnischen Druck seinen Sitz im Gedenkprojekt der KZ-Gedenkstätte Sobibor räumen. Pflichtschuldig folgten alle Redner an diesem Abend dem Vorbild der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Beatrix von Storch und forderten, die Ausgrenzung Rußlands zu beenden. 

Wenig überraschend verlangte das auch Irina Rodnina, die an dem Abend ebenfalls zur Fraktion spach. Die ehemalige Eiskunstläuferin ist stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma und als Mitglied der Partei Einiges Rußland eine Vertraute von Wladimir Putin, dem, wie zu hören war, das Sobibor-Projekt sehr am Herzen liegt. Rodnina hatte zuvor laut von Storch auch einen Besuch von Gauland und ihr in Moskau maßgeblich organisiert.