© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Knapp daneben
Wohnen ohne Ballast
Karl Heinzen

Christian Lohmann, Vorsitzender des Verbandes deutscher Self-Storage-Unternehmen, ist enthusiastisch. Seine Branche wächst wie keine andere. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Geschäft mit Lagerraum vervierfacht. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Längst nutzen nicht mehr bloß Betriebe, die Akten oder Waren aus Platzmangel auslagern wollen, das Angebot. In manchen der bundesweit derzeit 220 Hallen stellen Privathaushalte bereits das Gros der Kunden.

Der Trend läßt sich auf zwei Ursachen zurückführen. Zum einen muß, wer heute beruflich erfolgreich sein will, die Bereitschaft zur Mobilität mitbringen. Sind die Chancen woanders besser, heißt es, den Koffer packen, den Laptop unter den Arm nehmen und los. Alles, was man sich ans Bein bindet, kann die Karriere kosten. Menschlicher Ballast wie Lebensgefährten oder Freunde lassen sich durch ein paar klare Worte noch recht leicht entsorgen. All die Gegenstände, die in der Wohnung herumstehen, muß man jedoch entweder mit umziehen, an andere weitergeben oder auf den Sperrmüll stellen. 

Einkaufen wird sogar mehr Spaß machen, weil man all den Krempel direkt ins Lager liefern lassen kann.

Das kostet Mühe und vor allem Zeit, die man nicht hat. Hier baut vor, wer all das, wovon er sich nicht trennen kann, auch wenn er es im Alltag gar nicht braucht, von vornherein bei einem professionellen Dienstleister einlagert.

Zum anderen sind die Mieten in den meisten Städten derart unerschwinglich geworden, daß sich jede Reduzierung der Wohnfläche auszahlt. Logistiker verweisen auf die Faustregel, daß Möbel im Lager gerade einmal zehn Prozent der Fläche benötigen, die sie in einer Wohnung in Anspruch nähmen. Es ist daher ein Gebot der ökonomischen Vernunft, bei jedem Einrichtungsgegenstand immer wieder die Frage aufzuwerfen, ob man ihn wirklich ständig um sich haben muß. Dies heißt nicht, daß die Zeiten des Privatkonsums passé und Neuanschaffungen nicht mehr zeitgemäß wären. Das Glücksgefühl, sich etwas gönnen zu dürfen, wird bleiben. Einkaufen wird wahrscheinlich sogar mehr Spaß machen als je zuvor, weil man all den Krempel nicht mehr irgendwie daheim verstauen muß, sondern gleich ins Lager liefern lassen kann.