© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Damit in dieser schönen Stadt ...
... der Frieden eine Chance hat: Zur Sicherheitskonferenz in München trifft sich wieder die politische Elite aus aller Welt
Peter Möller

Fast hätte das Gerangel um die Große Koalition in Berlin auch noch die am kommenden Wochenende stattfindende Münchner Sicherheitskonferenz in Mitleidenschaft gezogen. Als in der vergangenen Woche die Wogen in der SPD im Streit um die Postenvergabe in der neuen Regierung hochschlugen, sagte der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel seine Teilnahme an der hochkarätig besetzten Veranstaltung erst ab – um dann nach dem Sturz seines innerparteilichen Rivalen Martin Schulz doch wieder zuzusagen. 

Der Leiter des weltweit wichtigsten sicherheitspolitischen Treffens, der frühere deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger, äußerte sich in der vergangenen Woche in Berlin zurückhaltend zu dem Durcheinander. Er gestand aber ein, daß ihm die lange Regierungsbildung in Deutschland, die dazu führe, daß erstmals nur eine geschäftsführende Bundesregierung in München vertreten sei, „Kopfzerbrechen“ bereite. Auch wenn von den deutschen Regierungsvertretern daher anders als in der Vergangenheit kaum richtungsweisende Äußerungen zu erwarten sind, tut das der Bedeutung der renommierten Tagung keinen Abbruch. Zu den Gesprächen im vornehmen Hotel Bayerischer Hof in der Münchner-Innenstadt werden 21 Staats- und Regierungschefs erwartet, darunter der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, sowie mit Benjamin Netanjahu erstmals ein israelischer Ministerpräsident. Unter den rund 600 Gästen werden außerdem 75 Außen- und Verteidigungsminister sein, so etwa der amerikanische Verteidigungsminister James Mattis und Moskaus Chefdiplomat Sergej Lawrow. Ebenfalls nach München reisen die Generalsekretäre der Vereinten Nationen, António Guterres, sowie der Nato, Jens Stoltenberg. Ganz oben auf der Tagesordnung werden die aktuellen Krisenherde dieser Welt stehen.

Der „Munich Security Report 2018“, eine Art sicherheitspolitische Jahresbilanz, die kurz vor der Tagung veröffentlicht wurde und den Ton in München vorgibt, zeichnet unter dem Titel „An den Abgrund – und zurück?“ ein düsteres Bild der internationalen Sicherheitslage. Im vergangenen Jahr sei die Welt nach Einschätzung der Autoren näher an die Schwelle eines großen zwischenstaatlichen Konfliktes gerückt, und die internationale Gemeinschaft müsse alles tun, um sich von dieser Schwelle wegzubewegen. Das Jahr 2017 sei neben den andauernden Konflikten in Syrien und der Ukraine zudem von Anzeichen einer anhaltenden Erosion der „sogenannten liberalen internationalen Ordnung“, einer immer unberechenbareren amerikanischen Außenpolitik sowie der Gefahr einer nuklearen Konfrontation mit Nordkorea geprägt gewesen. Als besorgniserregend werden zudem die gewachsenen Spannungen am Persischen Golf, nicht nur zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, gewertet. Darüber hinaus machen sich die Autoren der Studie Sorgen um den Fortbestand großer Rüstungskontrollverträge. „Wir müssen zurück zur Rüstungskontrollpolitik“, forderte denn auch Ischinger in Berlin und warnte, daß die potentielle Schwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen niedriger geworden sei. Zudem gebe es ein bedrohliches Ungleichgewicht zwischen Europa und Rußland: Europa habe in der Vergangenheit massiv abgerüstet, Rußland aufgerüstet. Auch wenn das für Instabilität sorge, habe er die Hoffnung, daß „vielleicht das Schlimmste hinter uns liegt.“

„Verfechter der Idee des Westens“

Vor diesem deutlich pessimistisch eingefärbten Hintergrund wünscht sich der Chef der Sicherheitskonferenz, daß die Veranstaltung auch bei ihrer bereits 54. Auflage wie bereits in der Vergangenheit als Plattform für Friedensgespräche genutzt wird. Das gilt vor allem für den krisengeschüttelten Nahen und Mittleren Osten. Laut Ischinger wird es zudem wahrscheinlich Gespräche im sogenannten Normandie-Format zwischen Vertretern Rußlands, der Ukraine, sowie Frankreichs und Deutschlands geben.

Die Sorge der Veranstalter um die westlich geprägte internationale Ordnung kommt auch bei der Verleihung des  diesjährigen „Ewald-von-Kleist-Preises“ zur Geltung. Die Auszeichnung der Sicherheitskonferenz geht an den amerikanischen Senator John McCain, der als „unbeugsamer Verfechter der Idee des Westens“ mit einer Laudatio des früheren amerikanischen Vize-Präsidenten Joe Biden gewürdigt wird.

Unter den teilnehmenden Parlamentariern sind in diesem Jahr auch Abgeordnete der AfD vertreten. Von besonderem Interesse für die Partei seien vor allem die strategischen Themen, wie die zukünftigen Aufgaben der Nato, die Rolle der EU im Bündnis und vor allem die ständige, strukturierte Zusammenarbeit (Pesco), „mit dem von der Bundesverteidigungsministerin gesteckten Ziel einer ‘Armee der Europäer’“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, der JF. „Da bin ich gespannt, ob die europäischen Partner und Experten die Visionen von der Leyens teilen.“ Mit großem Interesse blicke er auch auf die Diskussion zu „The Countries In-Between Russia and Europe“. Gerade in bezug auf die westliche Ukraine-Politik „gäbe es nämlich erheblichen Korrekturbedarf“, so der Abgeordnete und frühere Offizier. 

Während die Spitzenpolitiker im Bayerischen Hof um die weltweite Sicherheit ringen werden, müssen Tausende Polizisten das Tagungshotel hermetisch abriegeln. Denn auch in diesem Jahr hat das „Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz“ für Samstag zu einer Gegenkundgebung aufgerufen, zu der bis zu 4.000 Teilnehmer erwartet werden.