© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Jährlich eine zehnstellige Summe
Minderjährige unbegleitete Ausländer: Nach Angaben des Städte- und Gemeindebunds liegen die Fallkosten bei etwa 5.000 Euro monatlich
Martina Meckelein / Christian Rudolf

Sie sind jung, sie stammen nicht aus Deutschland, aber sie kosten unseren Staat exorbitant viel Geld: allein eingereiste junge Leute fremder Staatszugehörigkeit, die sich an den Grenzen als „Flüchtlinge“ ausgeben. Nach Zahlen aus den Bundesländern schlägt jeder einzelne mit fast 60.000 Euro zu Buche. 

Im Amtsdeutsch gibt es verschiedene Bezeichnungen für diese Personengruppe, die nicht den besten Ruf genießt: unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UmA), unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) oder minderjähriger unbegleiteter Flüchtling (MuFl). Gemeinsam ist ihnen das: Ihr jugendliches Alter schützt sie zuverlässig vor einer Abschiebung. Auch bei Straftaten.

Sofern derjenige angibt, jünger als 18 Jahre zu sein und um Schutz zu ersuchen, schaltet sich nach dem Grenzübertritt automatisch das Jugendamt ein. Ein Aktendeckel wird geöffnet und ein Verfahren in Gang gesetzt, das sich rechtlich nicht mehr unterscheidet von der Personenfürsorge für ein deutsches Kind. Denn seit 2010 gilt die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland ohne Einschränkungen: Die schwarz-gelbe Merkel-Regierung gab deutsche Vorbehalte auf, die der Regierung Kohl bei der Ratifizierung 1992 noch wichtig waren: daß nämlich Flüchtlingskinder nicht die gleichen Rechte und Ansprüche haben sollten wie Kinder deutscher Staatsangehörigkeit.

Durch den neugefaßten Paragraph 12 Asylgesetz können Ausländer einen Asylantrag erst mit Erreichen der Volljährigkeit stellen. So wird bei Einreise nicht einmal geprüft, ob der Betreffende Anspruch auf politisches Asyl hätte: Unter 18jährige gelten als nicht handlungsfähig. Das ruft nach Sozialgesetzbuch VIII zwingend das Jugendamt auf den Plan. Die Paragraphen 42a bis f regeln die „vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise“. Die Unbegleiteten werden seit November 2015 nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Ein gigantischer Betreuungsapparat setzt sich in Gang. Und der kostet, kostet, kostet. Je mehr Anspruchsberechtigte, desto teurer. Für die Kostenerstattung an die Kommunen sind die Bundesländer zuständig.

„Über die Gesamtkosten zu den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen (MuFl) gibt es zur Zeit nur Schätzungen. Die liegen zwischen zwei und vier Milliarden Euro pro Jahr“, sagt die Pressesprecherin des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Ursula Krickl, der JUNGEN FREIHEIT. „Maßgeblich für die Kosten sind die für die Unterkunft und die für die pädagogischen und therapeutischen Leistungen.“

„Von Familien losgeschickt, um Geld zu verdienen“

Krickl rechnet vor: „Zum Stichtag 1. November 2017 hatten wir 55.890 MuFl in der Obhut der Jugendämter, davon waren 24.126 junge Volljährige über 18 Jahre.“ Das sind 43 Prozent. „Die müssen in Wohngruppen untergebracht werden“, erklärt Krickl. „Darunter versteht man Menschen, bei denen ein erzieherischer Hilfebedarf erkennbar ist. Der geht bis 21 Jahre.“ Nach Paragraph 41 Sozialgesetzbuch VIII kann auch über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus weiter Jugendhilfe gewährt werden. In Ausnahmefällen können erwachsene Ausländer sogar bis zum 27. Lebensjahr durch die Kinder- und Jugendhilfe betreut werden. „So würde man mit Deutschen verfahren, und das Kinder- und Jugendhilfegesetz unterscheidet nicht nach Nationen.“ Krickl zur JF: „Das Gros der MuFl wurde von den Familien losgeschickt, um Geld zu verdienen.“

„Unser Jugendhilferecht ist weder auf die große Zahl noch auf die besonderen Bedürfnisse der Unbegleiteten zugeschnitten“, zitierte die Welt den Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Gerd Landsberg. „Die meist 16- und 17jährigen jungen Männer gelten in ihren Herkunftsländern schon als Erwachsene. Sie brauchen vor allem Sprachunterricht, Ausbildung und eine betreute Wohngruppe und oft nicht das sozialpädagogische Maximalprogramm.“

Siebzig Prozent der MuFl sind nach Auskunft von Sprecherin Ursula Krickl in Einrichtungen der Hilfe zur Erziehung untergebracht. „Die erheben Tagessätze bis zu 300 Euro.“ Das ergebe durchschnittliche Kosten pro Monat von rund 5.000 Euro. „Dreißig Prozent der MuFl sind in Wohngruppen oder bei Pflegeeltern untergebracht. Die Kosten hier: durchschnittlich 1.000 Euro im Monat.“ Hier sei der Prozentsatz der Unterbringung noch zu gering. „Die Jugendämter stehen vor der Problematik, schnell Pflegeeltern zu finden und Wohngruppen auszubauen.“

Dann kommen die Kosten der Krankenhilfe dazu. „Die Kosten zahlen die Jugendämter. Angesetzt sind 300 Euro im Monat pro Kind wie bei Deutschen.“

„Die Kosten der Beschulung setzen sich wie folgt zusammen: 5.100 Euro für Lehrer, 800 Euro für Lernmittel, 400 Euro für Baumaßnahmen. Das sind 6.300 Euro pro MuFl im Jahr.“ Die Städte- und Gemeindebund-Sprecherin rechnet weiter vor: „Dann brauchen wir Sozialarbeiter für die Wohngruppen. Bundesweit 10.000. Kosten: 33,4 Millionen Euro im Monat. Wir haben bisher nur fünfzig Prozent der Stellen besetzt, der Markt ist leergefegt.“

Auch die psychologische Betreuung ist kostspielig. „Dreißig Prozent der UmA sind traumatisiert, 15.000 müssen psychologisch betreut werden. Dafür brauchen wir 4.000 Psychologen. Kosten: 1,2 Millionen Euro im Monat. Dann die Sprachkurse. Wir rechnen monatlich mit 2.000 Euro pro Kraft. Wir brauchen circa 3.000 Gruppen, das sind sechs Millionen Euro pro Monat.“

Die Bundesländer zahlen die Unterbringungskosten, die Kommunen den Rest. „2017 und 2018 hat der Bund jeweils 350 Millionen Euro zugesagt. Da brauchen wir dringend eine Neuregelung“, sagt Krickl. „Unser Problem ist, daß viele MuFl ein Alter zwischen 16 und 17 angeben, damit sie in die Jugendhilfe kommen.“

350 Millionen decken nur einen Bruchteil der Kosten. Sie sind vor dem Hintergrund des Migrationsdrucks ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Finanzminister aus den Ländern forderten auf ihrer Konferenz im Januar den Bund auf, wenigstens die Hälfte der tatsächlich anfallenden Ausgaben für UmA/MuFls zu erstatten.

Welche Menge an öffentlichen Geldern gebunden wird durch die kostenintensive Art, wie Deutschland mit unbegleiteten minderjährigen Einwanderern umgeht, verdeutlicht ein Blick auf die konkrete Situation vor Ort. Beispiel Sachsen: Der Freistaat (drittgrößter Nehmer aus dem Länderfinanzausgleich für 2016) reichte für das Haushaltsjahr 2016 an Träger öffentlicher Jugendhilfe für den besagten Personenkreis 73,9 Millionen Euro aus, ergab die aktuelle Antwort auf eine Anfrage der AfD-Landtagsfraktion an die Staatsregierung. Für das Haushaltsjahr 2017 stiegen die Erstattungen für Unbegleiteten-Betreuung bereits auf 120,6 Millionen. Zum Vergleich: Das ist mehr als ein Zehntel dessen, was Sachsen aus dem Länderfinanzausgleich für 2016 erhielt, nämlich 1,09 Milliarden Euro. Im Haushaltsjahr 2015 lag die Ausgleichssumme noch bei 8,7 Millionen. Sachsen zahlte demnach 2017 fast 14mal soviel für Leistungen zur Unterbringung, Erziehungshilfe  und Betreuung von MuFls wie 2015 – was mit der geänderten Verteilpraxis der MuFls seit November 2015 zu tun hat.

Wie teuer die Betreuung für MuFls ist, zeigt auch die Kostenaufschlüsselung pro Fall. Zum Stichtag 14. Dezember 2016 fielen in Sachsen 2.630 MuFls unter die Leistungspflicht nach Sozialgesetzbuch VIII. So ergeben sich Kosten von (gerundet) 77 Euro pro Person und Tag oder 2.343 Euro pro Person und Monat. 

Ein Jahr später verschlang die Betreuung von weniger MuFls (2.158 Personen) 153 Euro pro Person täglich oder 4.660 Euro monatlich – eine Verdoppelung der Fallkosten. Die Sozialindustrie fordert ihren Tribut. Derzeit prüft der sächsische Rechnungshof die Ausgaben der Kommunen für MuFl-Betreuung. In allen Landkreisen und kreisfreien Städten wird finanztechnisch das Unterste zuoberst gekehrt, berichteten jüngst die Dresdner Neuesten Nachrichten. 

Zudem kommt der Mehraufwand in der kommunalen Verwaltung. Neun Millionen an Erstattung aus sächsischen Landesmitteln sind jeweils für 2017 und 2018 vorgesehen.

Sächsischer Rechnungshof prüft Ausgaben für MuFls

Ein anderes Beispiel: Schleswig-Holstein. Im Haushaltsjahr 2017 gab Kiel für Unterbringung und Versorgung von 1.795 MuFls 105,2 Millionen Euro aus. Das sind rund 4.884 Euro Fallkosten im Monat oder 160 Euro pro Tag.

Ein weiteres Beispiel: Thüringen meldete zum Stichtag 19. Juli 2017 1.373 MuFls. Von diesen waren 260 bereits volljährig. Der im August für das Jahr 2017 präsentierte Haushaltsansatz für MuFl-Betreuung sieht 57,1 Millionen Euro vor. Im Jahr zuvor fielen noch Landesausgaben von über 70,7 Millionen Euro an. Bei 1.373 MuFls macht das im vergangenen Jahr 3.465 Euro Kosten pro Fall und Monat oder 114 Euro täglich. Ausgaben, die an anderer Stelle für genuin deutsche Belange fehlen.

Übrigens kostet ein „normaler“ erwachsener Flüchtling nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes rund 12.000 Euro – im Jahr.