© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Mays zögerliche Haltung verunsichert die Briten
Brexit: Nicht nur bei den Verhandlungen mit Brüssel bekleckert sich die konservative Regierung nicht mit Ruhm / Farage und Soros sorgen für Gegenwind
Josef Hämmerling

Auch anderthalb Jahre nach dem Brexit-Votum gibt es bei den Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der EU kaum Fortschritte. Einer der Hauptgründe hierfür ist das zögerliche Verhalten von Premierministerin Theresa May. So kündigte sie vor wenigen Tage  an, in sechs über mehrere Wochen verteilten Reden Details zum EU-Austritt bekanntgeben zu wollen.  Ausgerechnet Finanzminister Philip Hammond, der als größter Befürworter des EU-Austritts im britischen Kabinett gilt, soll jedoch keine Rede halten.

Dieses zögerliche Verhalten kurz vor dem EU-Gipfel Ende März liegt vor allem auch daran, daß die Tories bei den von May zu verantwortenden Neuwahlen viele Stimmen verloren und die Brexit-Gegner dadurch gestärkt wurden. Dadurch wächst der Druck auf die Verhandlungsführer der Regierung. So wollen einer Umfrage des britischen Wirtschaftsverbands CBI zufolge 60 Prozent aller Unternehmen Großbritanniens ihre Brexit-Notfallpläne aktivieren, sollte es bis Ende März zu keiner Einigung bei der Austritts-Übergangsphase kommen.

Einer der größten Streitpunkte ist, daß nach dem Willen der EU-Staaten Großbritannien zwar nach dem Austritt am 29. März 2019 seine Mitbestimmungsrechte verlieren, bis Ende 2020 aber auch weiterhin alle Vorteile der Zollunion und des gemeinsamen Binnenmarktes genießen soll – jedoch nur, wenn das Land sich an die Regeln hält.

 Dies lehnt May ab und will zum Beispiel EU-Bürger, die während der Übergangsphase nach Großbritannien kommen, schlechter stellen als bislang und auch keine Regeln und Gesetze sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkennen, die während dieser Zeit in Kraft treten. Dies ist aber nach Ansicht von EU-Chefunterhändler Michel Barnier „nicht verhandelbar“. Ebenso wie die Wünsche der Briten, bestehende Handelsabkommen der EU in der Übergangsphase auch auf Großbritannien auszudehnen. 

Ein weiterer Knackpunkt ist der Streit um Irland. Zwar hat sich die britische Regierung bereits verpflichtet, die Rückkehr einer sogenannten „harten Grenze“ zwischen Irland und Nordirland zu verhindern. Sollte Großbritannien aber wirklich wie angekündigt aus der Zollunion ausscheiden, „wären Grenzkontrollen unvermeidbar“, so Barnier.

Für Unruhe sorgte der frühere Chef der Unabhängigkeitspartei Ukip und Anführer der „Leave“-Kampagne, Nigel Farage, der in einer Talkshow erklärte, „vielleicht, aber auch nur vielleicht“ sollte es ein zweites Referendum geben. Seiner Meinung nach würde das Ergebnis für einen EU-Austritt noch deutlicher ausfallen. 

Andere warnen aber unter Verweis auf die Parlamentswahlen vor einem solchen Schritt, zumal die Austrittsgegner in die Offensive gehen. So legte die Organisation „Best for Britain“ unter Berufung auf angebliche interne Regierungsunterlagen nun Berechnungen offen, wonach ein harter Brexit, also der Abbruch sämtlicher Beziehungen zur EU, Großbritannien umgerechnet 284 Milliarden Euro kosten würde und der weiche Brexit, der Verbleib Großbritanniens in der Zollunion, immerhin auch noch 147 Milliarden Euro. Der US-Milliardär George Soros, einer der entschiedensten Brexit-Gegner, kündigte laut dem Guardian an, die Arbeit von „Best for Britain“ mit einer Spende über 100.000 Pfund (knapp 113.000 Euro) zu unterstützen. Seit der Parlamentswahl im Juni 2017 habe er bereits 400.000 Pfund gezahlt, so das Blatt.