© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Fregatte geht im Konfliktfall besser auf Tauchstation
Marineindustrie: Das wohl größte Patrouillenboot aller Zeiten ist teuer, kampfschwach und bald ein Jahr überfällig
Fabian Schmidt-Ahmad

Die Bundeswehr, so hieß es bei ihrer Gründung, solle ein Abbild der Gesellschaft sein. Das ist ihr vollumfänglich geglückt. Die Bundeswehr sei „im Rahmen der kollektiven Verteidigung derzeit nicht einsetzbar“, stellte dieser Tage der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), gegenüber dem Focus fest. Das ist auch konsequent, denn wo ein Volk unwillig ist, sich zu behaupten, und ein Staat es ablehnt, seine Grenzen zu schützen, ist ein Militär, das nicht kämpfen kann, nur angemessen.

Begründet werden Panzer, die nicht schießen, Flugzeuge, die nicht fliegen, U-Boote, die nicht tauchen, mit marodem Material und einer chronischen Unterfinanzierung der Streitkräfte (JF47/17). Doch das ist womöglich nur die halbe Wahrheit. Denn auch dort, wo neue Rüstungsprojekte üppig mit Steuergeld gefördert werden, wachsen sich diese zuverlässig zum wehrpolitischen Desaster aus. Auch die Bundesmarine hat nun mit ihrem Prestigeobjekt, der Fregatte 125 (F125), einen Kandidaten.

Eigentlich sollte die F125 neuer Stolz zur See sein

Eigentlich sollte die „Baden-Württemberg“-Klasse – mit 150 Meter Länge und einer Verdrängung von 7.200 Tonnen derzeit größtes deutsches Kriegsschiff – neuer Marinestolz auf hoher See sein. 2,6 Milliarden Euro hatte der Bundestag 2007 für den Bau von vier Fregatten bewilligt – mit Stückkosten von 650 Millionen Euro ebenso Rekord. Die geplante Erprobungsfahrt der „Baden-Württemberg“ vom Polarkreis in die Tropen wurde wegen erheblicher Mängel abgebrochen. Seit dieser Woche liegt das Typschiff wieder auf Werft.

Anlaß für die öffentlichen Medien, derzeit über das Rüstungsprojekt herzufallen. Denn das 2013 von Gerlinde Kretschmann, Gattin des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried (Grüne), getaufte Schiff, sollte längst im regulären Dienst stehen und gemeinsam mit den teilweise auf Kiel gelegten Schwesterschiffen „Nord­rhein-Westfalen“, „Sachsen-Anhalt“ und „Rheinland-Pfalz“ stückweise die in den neunziger Jahren gebauten acht Fregatten der „Brandenburg“-Klasse ersetzen.

Daraus wird erst einmal nichts. Doch dieser jahrelange Verzug ist nicht das Problem. Moderne Kriegsschiffe sind hochkomplexe Waffensysteme, deren Entwicklung regelmäßig den Zeitplan überzieht. Da wäre vor allem eine weitgehende Automatisierung, die den größten Kostenfaktor im Betrieb, das Personal, reduzieren soll. Der „Baden-Württemberg“ genügt eine Besatzung von rund 120 Mann. Die mit 140 Meter Länge und einer Verdrängung von 4.900 Tonnen deutlich kleineren Fregatten der Brandenburg-Klasse benötigen dagegen wenigstens 200 Mann.

Auch ist die „Baden-Württemberg“ das erste Schiff der Bundesmarine mit Tarnkappentechnik für einen niedrigen Radarquerschnitt. Ebenfalls Grund für eine zwar ärgerliche, jedoch entschuldbare Verspätung. Das eigentlich Verwunderliche ist, daß die F125 kaum auf Anforderungen eines Seekrieges ausgelegt ist und auch nicht sein soll. Ihre Aufgabe besteht vor allem in „humanitären Rettungsmissionen“, der „Abwehr asymmetrischer Bedrohungen“, – sprich: Piratenbekämpfung.

Normalerweise ist das Aufgabe von Patrouillenbooten, die aber eine eingeschränkte Reichweite haben. So führte die Bundesmarine derartige Einsätze in Übersee mit Fregatten durch, die dafür natürlich nicht vorgesehen waren und nur wenige Monate im Zielgebiet patrouillieren können. Die F125 sind dagegen Langstreckenläufer. Bis zu zwei Jahre sollen sie ohne größere Wartung auskommen. Für Kriegsschiffe dieser Größe außergewöhnlich – wenn sie welche wären. Denn die größten und teuersten Patrouillenboote aller Zeiten, wie Kritiker der F125 spotten, gehen im Konfliktfall besser auf Tauchstation.

Hinter vier markanten Schotten verbergen sich Speedboote und in einem Hubschrauberhangar können bis zu zwei  „Sea Lynx“ Mk 88 A transportiert werden. Doch offensive Kampfkraft ist dadurch kaum gewonnen. Erste Entwürfe sahen sogar noch Wasserkanonen vor. Damit sind eigentlich zivile Frachtschiffe ausgestattet, um Piraten behutsam vom Entern abzuhalten. Sie sind nun fünf ferngesteuerten Maschinengewehren gewichen. Ein 127mm-Buggeschütz fällt etwas aus dem Rahmen. Ursprünglich sollte sogar das mächtige 155mm-Geschütz der Panzerhaubitze 2000 verbaut werden.

Wehrexperte wünscht sich ein anderes Schiff

Dafür ist die F125 teuer. Zum Vergleich: Schiffe der Arleigh-Burke-Klasse der US Navy sind wenige Meter länger, verdrängen etwa tausend Tonnen mehr, kosten etwa ein Viertel mehr, sind aber ausgewachsene Zerstörer. Doch der Unterschied zwischen diesen Schiffen und der F125 könnte kaum größer ausfallen. Der Marinebeauftragte für die F125, Kapitän zur See Christoph Mecke, räumte gegenüber dem Wehrexperten Thomas Wiegold vom Blogg „Augen geradeaus!“ ein, bei heutigen Bedrohungsszenarien wohl einen anderen Typ bestellt haben zu wollen. Tatsächlich geht international die Entwicklung wieder zu stark bewaffneten Fregatten wie der Admiral-Gorschkow-Klasse der russischen Marine. Dennoch muß die F125 nicht zwangsläufig eine Fehlbestellung sein.

Was nämlich die „Baden-Württemberg“ und ihre Schwestern hervorragend tun könnten, wäre, das Mittelmeer hermetisch abzuriegeln. Dann allerdings hätten sich die 2,6 Milliarden Euro für den deutschen Steuerzahler schon innerhalb weniger Wochen rentiert.