© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Zwischen Zirkus und Entschlossenheit
Naher Osten: Der Streit zwischen Israel, Syrien und Iran eskaliert / Moskau versucht zu schlichten
Thorsten Brückner

Der Auftritt von Benjamin Netanjahu erinnerte ein wenig an seine Rede vor den Vereinten Nationen 2012. Damals hielt er die Zeichnung einer Bombe hoch, die an einen Disney-Comic erinnerte. Damit wollte er damals auf Irans Atomprogramm aufmerksam machen. Diesmal trat er mit einem Teil der von Israel am 10. Februar abgeschossenen angeblichen iranischen Drohne ans Rednerpult der Münchner Sicherheitskonferenz. Von dort wandte er sich direkt an den zu dem Zeitpunkt allerdings nicht im Saal anwesenden iranischen Außenminister Mohammed Zarif. „Erkennen Sie das?“ fragte er ihn. „Das sollten Sie, es ist Ihre.“ Seine Warnung an den Iran: „Testen Sie nicht unsere Entschlossenheit.“

Kampfflugzeugabschuß ist ein Prestigeerfolg für Assad 

Zarif zeigte sich unbeeindruckt. Netanjahus Rede sei „Zirkus“ gewesen und verdiene deswegen keine Antwort. Netanjahu wolle nur von internen Problemen ablenken, sagte er in Anspielung auf die Korruptionsvorwürfe gegen den  am längsten amtierenden Ministerpräsidenten seit Staatsgründer David Ben Gurion. Erst vergangene Woche hatte die israelische Polizei eine Anklageerhebung gegen Netanjahu empfohlen.  

Die Eskalation der beiden Erzfeinde lag zu diesem Zeitpunkt schon rund eine Woche zurück. Am 10. Februar hatte Israel nach eigenen Angaben ein iranisches Flugobjekt über Nordisrael abgeschossen. Der Iran bestreitet die Urheberschaft. Beachtung fand, daß Israel die Drohne nicht etwa mit seinem Luftabwehrsystem „Davids Schleuder“, dem Nachfolger von Hawk und Patriot abschoß, sondern mit einem Apache-Helikopter. Begründung aus Tel Aviv: Der Helikopter fliegt mit einer ähnlichen Geschwindigkeit wie die Drohne.

 Die Armee geht laut der Tageszeitung Yedioth Acharonot davon aus, daß es sich bei der Drohne nicht um eine iranische Provokation handelte, um Israel in ein militärisches Scharmützel zu verwickeln, sondern Teheran in der Annahme handelte, damit unbemerkt den israelischen Luftraum zu infiltrieren. Die Antwort Israels auf das Eindringen ließ nicht lange auf sich warten. Kampfflieger bombardierten iranische Stellungen auf syrischem Boden. „Wir werden dem Iran nicht erlauben, sich in Syrien zu verschanzen“, betonte Netanjahu.

 Die israelische Regierung sieht in der iranischen Präsenz in Syrien, seinem Atomprogramm und Waffenlieferungen an die radikal-schiitische Hisbollah für sich die größte strategische Bedrohung – sogar größer als eine zeitweilige Präsenz der Terrororganisation Islamischer Staat auf den Golan-Höhen. 

Bei der Vergeltungsaktion am 10. Februar verlor Israel einen F16-Kampfjet. Es war das erste Fluggerät, das Israel seit 2006 in Kampfhandlungen verlor. Damals wurde ein Helikopter von einer Rakete der Hisbollah getroffen. Gleichzeitig ist es das erste Mal, daß es der syrischen Armee gelungen ist, ein israelisches Kampfflugzeug abzuschießen. Für das Assad-Regime, das mit russischen Luftabwehrsystemen S-200 und S-400 ausgerüstet wurde ein enormer Prestigeerfolg. Davon konnten auch israelische Beteuerungen nicht ablenken, man habe den Syrern durch anschließende Vergeltungsangriffe einen schweren Schlag versetzt.

 In der angespannten Stimmung konnte sich auf der Sicherheitskonferenz der russische Außenminister Sergej Lawrow als neutraler Vermittler zwischen den Kampfhähnen inszenieren. Iranische Äußerungen, wonach Israel von der Landkarte getilgt werden soll, werde Moskau nicht akzeptieren. „Das ist der falsche Weg, seine eigenen Interessen voranzubringen“, sagte er an Teheran gerichtet. Gleichzeitig glaube Rußland nicht, daß Stabilität in der Region durch eine Bekämpfung des Iran erreicht werden könne. Libanons Verteidigungsminister, Yaacoub Sarraf, warf der israelischen Regierung unterdessen Heuchelei vor. Er habe „seit 15 Jahren eine israelische Drohne“ direkt über seinem Kopf.