© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Knapp daneben
Kein Grund zur Beunruhigung
Karl Heinzen

Im Herbst des vergangenen Jahres wurde die erst 2005 fertiggestellte A20 in Mecklenburg-Vorpommern auf der Höhe Tribsees gesperrt. Die Vorsichtsmaßnahme bewahrte Autofahrer vor der unangenehmen Erfahrung, daß der Asphalt unter ihren Rädern wegbricht. Tatsächlich bot die Autobahn schon bald ein Bild, das man ansonsten nur aus Katastrophenfilmen kennt. Zunächst sackte die Fahrbahn in westlicher Richtung weg. Seit wenigen Tagen ist die Symmetrie wiederhergestellt und auch auf der Fahrbahn Richtung Osten klafft ein ansehnlicher Krater.

Eine Sprecherin des Schweriner Verkehrsministeriums wies darauf hin, daß es keinen Grund zur Beunruhigung gebe. Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch die Gegenfahrbahn wegrutsche. Die Landesregierung hat also die Lage im Griff. Es ist daher auch nur eine Frage der Zeit, bis das Malheur behoben ist. Leider wird dies aber nicht von heute auf morgen geschehen können. Vor 2021 ist nichts zu machen. 

Die A20 ist ein weiteres Indiz dafür, daß die Deutschen mit größeren Bauprojekten nicht mehr zurechtkommen

Dieser Zeitbedarf für die Reparatur eines so kurzen Teilstücks resultiert wohl zum einen daraus, daß die genauen Gründe für das Naturwunder im Dunkeln liegen. Sie sollten jedoch geklärt sein, bevor man etwa eine Brücke errichtet, die den wackeligen Untergrund überspannt. Zum anderen müssen bereits die Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben werden, und dies läßt sich nicht übers Knie brechen. In Angriff genommen wurden aber immerhin schon Bemühungen, eine etwas komfortablere Umleitungsstrecke zu bauen. Hierzu haben jedoch noch nicht alle betroffenen Grundeigentümer ihre Zustimmung erteilt. 

Vielleicht ist aber auch der ganze Eifer, mit dem man um Lösungen ringt, völlig übertrieben. Verliert das Land wirklich an Attraktivität, bloß weil eine Autobahn ein klein wenig unterbrochen ist? Sollten wir statt der technokratischen Fixierung auf Infrastruktur nicht viel mehr die Menschen und ihre Lebensqualität im Auge haben? Die A20 ist zudem ein weiteres Indiz dafür, daß die Deutschen mit größeren Bauprojekten nicht mehr zurechtkommen. Warum gestehen sie sich dies nicht ein und lassen endlich die Finger davon?