© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Der Flaneur
Böse Menschen
Bernd Rademacher

Der Frost hat den matschigen Boden wieder passierbar gemacht, darum entscheide ich mich für den schnelleren Weg über den Feldweg. Eine Spaziergängerin wählt dieselbe Abkürzung, so ergibt es sich, daß wir die gut hundert Meter nebeneinander hergehen. Sie sieht aus wie eine typische Gesamtschullehrerin. Um etwas zu sagen, erkundige ich mich, ob ihr Rauhhaardackel jagdlich geführt werde. Sie weist das mit scharfem Blick empört zurück. Überhaupt, wie man bloß Tiere totschießen könne. Ich wende sachte ein: Aber ohne jagdliche Hege gäbe es bald nur noch Wildschweine und Krähen, aber bestimmt keine Hasen mehr.

Plastik, Jäger, Glyphosat, aber wir interressieren uns ja nur für neue Smartphones

„Ach, die gibt’s doch sowieso nicht mehr, wegen dem ganzen Glyphosat!“ Ich frage nach: „Ach wegen dem Glyphosat gibt’s keine Hasen mehr?“ „Ja genau, und wegen dem Plastik im Meer gibt’s keinen Sauerstoff mehr im Wasser und alle Fische sterben, nur noch eine Frage der Zeit! Und der ganze Regenwald ist auch schon weg!“

Ich muß schmunzeln. „Sind Sie sicher?“ „Ja natürlich, aber das interessiert ja keinen, Hauptsache neues Smartphone!“, schimpft sie sich in Rage. „Die Menschen zerstören jeden Tag die Natur!“

Ich versuche zu bremsen: „Das klingt jetzt aber etwas misanthropisch.“ „Das hat damit überhaupt nichts zu tun!“ keift sie. Ich versuche noch eine Beschwichtigung: „Schauen Sie, das Waldsterben der Achtziger hat schließlich auch nicht stattgefunden.“ Oha, falsche Strategie, jetzt wird sie richtig böse. Plastik, Jäger, Glyphosat, Regenwald – die Menschheit ist schlecht und geht zu Recht unter!

Einmal wage ich’s noch: Was denn zum Beispiel mit den vielen Wildschweinen geschehen solle, wenn nicht mehr gejagt würde? „Für die könne man ja schließlich Tierparks bauen, aber die Menschen interessieren sich ja nur ...“ – „... für ihr Smartphone“, ergänze ich. Zum Glück gabelt sich der Weg hier. Nichts wie weg. Ich wünsche ihr alles Gute – trotz Glyphosat. Sie zieht grußlos des Weges.