© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

Streit um Essener Tafel
Im sozialen Brennglas
Dieter Stein

Wie in einem Brennglas sehen wir in Essen Folgen unkontrollierter Masseneinwanderung. Helle Empörung löste im fernen Berlin und bei überregionalen Medien die Nachricht aus, daß Jörg Sartor, Chef der Essener Tafel, seit Jahresbeginn keine Ausländer mehr als Neukunden aufnehmen will. Wie auch schon an anderen Orten war die Situation beim Verkauf der vergünstigten Lebensmittel außer Kontrolle geraten. Insbesondere deutsche Rentnerinnen und alleinerziehende Mütter seien bedrängt worden, es mangele an „Respekt gegenüber Frauen“, so Sartor.

Im Mikrokosmos der Essener Tafel sieht man ein soziales Gefüge implodieren. Ein Vorgang, der sich tausendfach im Land zu einem Sprengsatz addiert. Es war fast absehbar, was folgte. Chaoten beschmierten Fahrzeuge und Gebäude der Essener Tafel mit Parolen wie „Fuck Nazis“, Tafel-Chef Sartor erwägt sogar seinen Rücktritt wegen der Beschimpfungen.

Und die Politik, die den Schlamassel zu verantworten hat, weil Außengrenzen nicht kontrolliert und Ausreisepflichtige nicht abgeschoben werden? Statt sich den in äußerster Not Handelnden zuzuwenden, kritisierte Familienministerin Barley (SPD) die Essener Tafel: „Eine Gruppe pauschal auszuschließen“ passe nicht zu den Grundwerten „einer solidarischen Gemeinschaft“. Angela Merkel dekretierte, ohne ein Wort des Mitgefühls für die bedrängten Ehrenamtlichen: Man solle nicht „solche Kategorisierungen vornehmen“.

Im Gegensatz zur Kanzlerin sprach CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit Tafel-Chef Sartor – und äußerte Verständnis für den Aufnahmestopp. Es sei richtig, „dafür zu sorgen, daß es nicht zu einer Verdrängung kommt an der Tafel“. Schon 2015 hatte der CSU-Rechtsexperte Alexander Hoffmann in der JF ein Tafel-Verbot für Asylbewerber gefordert. Diese erhielten ausreichend Geldleistungen für Lebensmittel und seien nicht auf zusätzliche Angebote angewiesen. 

Wie weit sich die SPD vom eigenen Volk entfernt, belegt ein soeben von der Parteistiftung verabschiedetes Papier „Leitbild und Agenda für die Einwanderungsgesellschaft“. Hier wird der Abschied von Kultur, Tradition und Nation auf die Spitze getrieben, eine „für alle gültige deutsche Identität“ bestritten, Vielfalt, Diversität, Multikulturalität zum Mantra „offener Gesellschaften“, die „wirtschaftlich, sozial und kulturell erfolgreicher“ seien. Der Philosoph Alexander Grau urteilt treffend über dieses SPD-Papier: „Das Ideal ist der entwurzelte Mensch, denn nur er ist voll funktionsfähig in einer entgrenzten Welt globaler Austauschbarkeit.“

Daß die AfD im Aufwind ist und die SPD im Bund von Platz zwei verdrängt, liegt an der Abgehobenheit von den realen Problemen einfacher Menschen. Wenn sich die Berliner Politik diesen Problemen nicht endlich zuwendet, wird es noch zu ganz anderen Wahlergebnissen kommen.