© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

Mediale Feuertaufe
Frankreich: Republikaner-Chef Laurent Wauquiez stellt sich an die Spitze der Opposition gegen Macron
Jürgen Liminski

Die Standhaftigkeit hat sich gelohnt. Seit vergangener Woche gibt es einen Gegenspieler für den französischen Präsidenten. Der Chef der rechtskonservativen Partei „Die Republikaner“, Laurent Wauquiez, bestand die mediale Feuertaufe. 70 Prozent der Franzosen begrüßen es, daß er zu den kritischen Worten steht, die er über die politische Klasse im allgemeinen und einzelne Politiker im besonderen vertraulich gesagt hatte. Ein Student der Managerschule von Lyon hatte trotz des Versprechens, Diskretion zu wahren, bei einer Vorlesung von Wauquiez heimlich die Worte aufgezeichnet und dann einem Fernsehsender zugespielt.

 Die Folge war ein mediales Gewitter der Linken und der bloßgestellten Politiker. Ein früherer Parteifreund, Xavier Bertrand, meinte, Wauquiez sei „schlimmer als Trump“. Die linksliberalen Medien jubelten, die Rechte zerlege sich, der potentielle Gegner Macrons sei „erledigt“. Aber statt sich zu entschuldigen, stand Wauquiez zu den Aussagen, und die Franzosen honorieren es, vor allem in der eigenen Partei zu 83 Prozent und beim Front National zu 76 Prozent. Mit anderen Worten: Der Chef der Republikaner gewinnt mit seinem deutlichen Anti-Macron-Kurs auch viele enttäuschte Nichtwähler.

„Trump ist für mich kein Vorbild“

Womit hatte Wauquiez die Linke aufgebracht? Er hatte in der vertraulichen Runde mit den 35 Studenten vom „schwarzen Kabinett“ erzählt, das für die Präsidenten der V. Republik seit Giscard d’Estaing gesetzeswidrig Journalisten und Politiker abhört, Intrigen spinnt, Dossiers anlegt und die Medien instrumentalisiert. Das sei auch im großen Stil unter Mitterrand und Hollande geschehen, auch Sarkozy habe abhören lassen, um über die Pläne seiner Minister genau informiert zu sein. Hollande habe eine willfährige Justiz gegen den Präsidentschaftskandidaten Fillon eingesetzt. Das Parlament sei heute ein Kasperletheater, die Abgeordneten der Präsidentenpartei „Republik in Bewegung“ (La République en marche) würden an der kurzen Leine geführt, keiner dürfe aufmucken. Wer es dennoch wage, bekomme gleich „Hiebe mit dem Schlagstock“ und müsse um sein Mandat fürchten. 

Es war ein sehr flottes und offenes Wort, das Wauquiez bei dieser Vorlesung führte, und in einer Fernsehsendung im Anschluß an die mediale Aufregung sagte er in Anspielung an den berühmten Artikel „J’accuse“ von Victor Hugo vor 110 Jahren: „J’assume“ – ich stehe dazu. Leid täten ihm nur die allzu offenherzigen Worte über Sarkozy, bei dem er sich dafür schon entschuldigt habe.

Auch zum Themen, die den Franzosen auf den Nägeln brennen, bezog er Stellung. „Ich werde bei der Immigration dem Front National nicht das Monopol einer Meinung überlassen.“ Desgleichen bei sozialen Themen, sie seien „kein Monopol der Linken“. Gegen die „hinterhältigen und manipulativen Gangster-Methoden einiger Medienleute“ werde er gerichtlich vorgehen. Die meisten Medien würden heute nicht mehr nach ethischen Kriterien berichten, sondern nach dem „Maßstab: Wen müssen wir verurteilen, und wen müssen wir decken?“ Statt über ihn herzuziehen, sollten sie sich besser mit der Politik Macrons befassen, etwa der sinkenden Kaufkraft oder der hohen Arbeitslosigkeit. Macron sei völlig abgehoben, eine Art blinder Gefolgsmann des EU-Systems. Den Franzosen werde langsam klar, daß der kreißende Berg der Wahlen vor einem dreiviertel Jahr nur eine Maus geboren habe. Die Reformversuche seien halbherzig und begünstigten vor allem die Unternehmen, die Banken und die Reichen.

Eine der interessantesten Bemerkungen ist die Feststellung von Wauquiez, daß er der einzige Politiker sei, der in der Provinz lebe. In diesem Punkt ähnelt er in der Tat Donald Trump, der seine Stimmen auch auf dem Land und gegen das politisch-mediale Establishment in der Hauptstadt gewann. Aber zu Trump selbst meint der nunmehr unumstrittene Chef der bürgerlich-rechten Oppositionspartei: „Trump ist für mich kein Vorbild.“