© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Dänische Miniaturen A: Bei einer Veranstaltung, die im Dänischen Reichstag aus Anlaß des 25. Jahrestages der Veröffentlichung von Botho Strauß’ „Anschwellendem Bocksgesang“ stattfand, ging es am Rande auch um die deutsche Vergangenheitspolitik. Der deutsche Teilnehmer war selbstverständlich auf gewisse Empfindlichkeiten beim nordischen Nachbarn gefaßt. Um so erstaunlicher war die Tendenz der Fragen, die an ihn gerichtet wurden: Wie kann es sein, daß nach mehr als zwei Generationen, die zwischen Kriegsende und Gegenwart liegen, noch von der „ewigen Schuld“ der Deutschen gesprochen wird? Wieso ist immer die Rede von „deutscher Schuld“, aber nie von „russischer Schuld“ an den Greueln des Bolschewismus oder von „amerikanischer Schuld“ an Indianermord, Sklaverei und Atombombenabwurf? Warum wird nicht zum Thema gemacht, daß hinter fast jedem Schuldvorwurf ein Interesse steckt? Warum lassen sich die Deutschen das gefallen?

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Richard Flynn, der Entdecker des „Flynn-Effekts“ – des allmählichen Anstiegs der Durchschnittsintelligenz in den Industrieländern während der Nachkriegszeit – hat auch eine Erklärung für den „negativen Flynn-Effekt“ – den sukzessiven Verfall der Durchschnittsintelligenz während der letzten zehn Jahre um etwa drei Punkte – parat: klügere Frauen bekommen weniger, dümmere mehr Kinder.

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Bildungsbericht in loser Folge CXIII: „Zwar weiß niemand mehr, was unter Bildung zu verstehen ist, aber alle sind sich einig, daß Bildung die wichtigste Ressource in einer wettbewerbsorientierten Wissensgesellschaft darstellt. Der Schluß, den viele daraus ziehen, ist allerdings merkwürdig: In immer kürzerer Zeit sollen immer mehr junge Menschen aus immer unterschiedlicheren Milieus immer kostengünstiger immer besser ausgebildet werden. Das kann nicht gut gehen.“ (Konrad Paul Liessmann)

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Die israelische Justizministerin Ajelet Shaked hat im Hinblick auf einen neuen Gesetzesvorschlag erklärt, daß es Orte gebe, an denen eine jüdische Mehrheit aufrechterhalten werden müsse, auch wenn das die Verletzung von Individualrechten bedeute : „Israel ist ein jüdischer Staat. Es ist nicht ein aus verschiedenen Nationen zusammengesetzter Staat. Das bedeutet, die gleichen Rechte für alle Bürger, aber nicht die gleichen nationalen Rechte.“

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Dänische Miniaturen B oder Katakomben der Gegenwart: Gespräch mit einem dänischen Pastor, der als Armeegeistlicher in Afghanistan gedient hat und von seinem Dolmetscher erzählt. Der war Offizier in der kurzen Phase zwischen Sowjetherrschaft und Machtübernahme der Taliban, floh dann nach Pakistan und trat dort zum Christentum über. Das war selbstverständlich nur in aller Heimlichkeit möglich, aber er konnte am Gottesdienst in einer Kapelle teilnehmen, die ein deutscher Unternehmer unter seiner Fabrikhalle eingerichtet hatte.

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„Oder nehmen wir die AfD. Ich sehe in ihr die logische Folge eines Parlaments ohne Opposition und einer sturen, als alternativlos propagierten Politik, deren Konsequenzen unabsehbar sind. Von Beginn an wurde diese Partei bekämpft, als sei sie der Gottseibeiuns, auch als es die aus heutiger Sicht ‘gute AfD’, die professorale Lucke-AfD, war. Warum ist es links, wenn einer Partei (…) Tagungsräume verweigert werden, wenn die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder gefährdet sind, ihre Wohnhäuser angegriffen, ihre Autos abgefackelt und sie selbst zusammengeschlagen werden? Und warum bin ich rechts, wenn ich das undemokratisch, dumm und brutal finde?“ (Monika Maron, Schriftstellerin, in: „Links bin ich schon lange nicht mehr“, Neue Zürcher Zeitung)

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Wahrscheinlich läßt sich der Unterschied zwischen Rechten und Linken auf eine einfache Formel bringen: erstere glauben, daß es etwas gibt, letztere nicht. Rechte sind Essentialisten, für sie existieren Völker und Kulturen, Aufstieg und Fall, Größe und Knirpstum, Schönheit und Häßlichkeit, für sie unterscheiden sich Helden und Feiglinge, Genies und Dummköpfe, Gute und Böse. Die Linke findet nur Verschleierung, Überbauphänomene, Konstruktionen.

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Dänische Miniaturen C: Über dem Eingang des Kopenhagener Rathauses sieht man eine Darstellung mittelalterlich gekleideter Männer, von denen einer unter einem weitausladenden Baum sitzt, die übrigen sind um ihn versammelt. Ich fragte am Einlaß, was das Bild zu bedeuten habe. Es stehe dort symbolisch für die Rechtsprechung, hieß es, die in früherer Zeit unter freiem Himmel stattgefunden habe. Die Männer kamen zu einer Linde, um gemeinsam zu beschließen. „Wie in meinem Heimatdorf“, sage ich, „da steht die Gerichtslinde noch am Thie.“ „Dem Thing“, sagt die Dame freundlich, und dann: „Wir sind ja eigentlich auch ein Volk.“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 16. März in der JF-Ausgabe 12/18.