© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

„Ich wollte diese Herausforderung“
Den Medien gilt Jasmin Kosubek als „das schöne Gesicht“ des russischen Auslandsprogramms RT-Deutsch, dem sie Sex-Appeal und Pfiff verleiht. Warum arbeitet die junge Deutsche für einen Sender der Regierung Putin?
Moritz Schwarz

Frau Kosubek, ärgert Sie die Zuschreibung „das schöne Gesicht Putins“?

Jasmin Kosubek: Nein, „schönes Gesicht“ ist doch nett. Und „Putin“ – die Medien brauchen eben ’ne Schlagzeile. 

Kein Versuch, Ihnen das Journalist-Sein abzusprechen und Sie sozusagen zur Sprechpuppe Moskaus zu reduzieren?

Kosubek: So kann man es natürlich auch verstehen, aber ich möchte das nicht unterstellen. Andere haben allerdings wirklich „des Kremls Sprachrohr“ geschrieben, das ist dann eindeutig. 

Und, sind Sie das Sprachrohr des Kremls?

Kosubek: Nein, wir sind in Deutschland sozusagen „Der fehlende Part“, wie auch meine Sendung heißt. Wir bringen, was andere hierzulande nicht aufgreifen.

Sie sagen, „als ich mich hier bewarb, wußte ich nicht, auf was ich mich einlasse“. 

Kosubek: Stimmt, und ich mache auch kein Geheimnis daraus, daß ich zu Beginn völlig unbedarft und meine ersten Auftritte vor der Kamera 2014 aus heutiger Sicht nicht ausgereift waren. Vorher war ich neben meinem Studium eben etwa bei Bosch oder als Kellnerin tätig. Dann wollte ich mal etwas ganz anderes machen und habe mich quasi „blind“ beworben. 

Sie wußten nichts über RT? 

Kosubek: Ganz ehrlich: Nein. Außer daß es sich um einen russischen Sender handelt. Aber nichts davon, daß das Ganze hierzulande so brisant gehandelt wird.

Waren Sie naiv?

Kosubek: Ja, aber ich stehe dazu. Ich war, wie ich war. Und indem ich mich dem Unbekannten gestellt habe, habe ich dazugelernt. Das war es ja auch, was ich wollte. Deshalb: Auch wenn ich es gewußt hätte – es wäre mir egal gewesen, denn ich suchte ja die Herausforderung. 

Sie fühlen keine Skrupel, weil Sie sich unweigerlich zu einem Teil der Moskauer Regierungspropaganda machen?

Kosubek: Es ist nicht so, daß ich darüber nicht nachdenke. Aber jeder weiß, daß RT ein russischer Staatssender ist, daraus machen wir kein Geheimnis. Und jetzt frage ich Sie: Ist das nicht ehrlich? Ehrlicher gar als bei anderen Sendern. Oder glauben Sie, Private und Öffentlich-Rechtliche folgten keiner Agenda? Aber ist das dort so transparent wie bei uns?

Da haben Sie wohl recht. Aber versuchen Sie jetzt nicht, die Staatshörigkeit von RT als Tugend zu verkaufen? Das stimmt doch auch nicht.  

Kosubek: Dann muß ich Sie aufklären: Wir arbeiten absolut unabhängig. 

Heißt? 

Kosubek: Erstens, wir gehören nicht zu den etablierten Medien hierzulande und sind damit wohl unabhängiger von den hiesigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen als die meisten deutschen Medien. Zweitens, wir bestimmen unser Programm selbst! Wir bekommen dafür keinerlei Direktiven aus Rußland. 

Falls das stimmt, gilt das aber wohl nur so lange, wie Sie „von alleine“ alles im Sinne der russischen Regierung machen. 

Kosubek: Natürlich gibt es für uns einen Rahmen, so wie bei jedem Medienunternehmen. Sie werden etwa bei uns kein Loblied auf die Nato hören, so wie ich in der JUNGEN FREIHEIT wohl keines auf die Einwanderung finden werde. Aber innerhalb dessen sind wir völlig eigenständig. Mein Chefredakteur kontrolliert zum Beispiel weder meine Texte, noch wen ich in meine Sendung einlade. 

Aber der Auftrag ist klar: Moskau rechtfertigen und die westliche Allianz kritisieren. 

Kosubek: Das ist die falsche Perspektive. Denn wir sind ein Medium in Deutschland. Verstehen Sie? Das bedeutet, unser Bezugspunkt ist nicht Rußland, sondern Deutschland. Und so gesehen sind wir ein kritisches Medium, weil wir Themen und Sichtweisen bringen, die andere hierzulande links liegenlassen. Nehmen Sie die Deutsche Welle: Aus hiesiger Sicht bietet sie ein konformes Programm. Aber dort, wo sie empfangen wird, im Ausland, bürstet sie eventuell gegen den Strich. Also: Ganz klar tragen wir zu medialer Vielfalt und kritischer Hinterfragung dessen bei, was man hierzulande gewohnt ist.

Ihre ehemalige Kollegin Lea Frings gab dem NDR-Medienmagazin „Zapp“ 2015 ein Interview, in dem sie aus dem Nähkästchen plauderte und RT Deutsch absprach, Journalismus zu machen. 

Kosubek: Zu Lea Frings möchte ich mich nicht äußern. Zum einen, weil es unfair, zum anderen, weil es lächerlich ist. Sie selbst kam aus der Linkspartei und ist später zu den Piraten gewechselt. Und so jemand wirft uns vor, nicht neutral zu sein? Das ist doch lächerlich.

Ist das Journalismus, was Sie machen?

Kosubek: Natürlich. Journalisten sollen, wie Sie in jedem Journalistenseminar lernen können, drei Dinge tun: kritisch sein, hinterfragen und der Macht auf die Finger gucken. Jetzt sagen Sie mir bitte, welchen dieser drei Gesichtspunkte wir hierzulande nicht erfüllen? 

Aber Sie tun es eben nicht zweckfrei, sondern im Interesse einer anderen Macht. 

Kosubek: Noch mal, wir bekommen keinerlei Direktiven aus der Moskauer RT-Zentrale. Wir arbeiten also unabhängig, und wir erfüllen alle drei obengenannten Kriterien. Damit entspricht das, was wir in Deutschland machen, eindeutig den Anforderungen des Journalismus. Vielleicht sogar mehr als bei manchen deutschen Medien, die über ihre Besitzer oder öffentlich-rechtliche Aufsichtsräte mit der hiesigen Politik verbandelt sind. Wobei ich das „vielleicht“ betonen möchte! Denn ich will anderen Journalisten nicht pauschal etwas absprechen. Schließlich sprechen viele von ihnen mir ständig etwas ab – ich möchte nicht dasselbe Spiel spielen und pauschalisieren.

Wie reagieren andere Journalisten auf Sie?

Kosubek: Das ist schwierig. Ich fühle mich auf Veranstaltungen mit anderen Journalisten oft nicht wohl, weil ich das Gefühl habe, ich werde als „die da von Putins Propagandasender“ betrachtet. Ich vermag allerdings nicht zu sagen, ob sie mir wirklich dieses Gefühl geben oder ich es mir nur einbilde, weil ich sensibel bin. Die meisten sprechen mich nicht direkt darauf an – obwohl ich gerade damit kein Problem hätte, zumindest solange sie es ohne Vorwurf tun oder das zumindest probieren. 

Das Gegenteil ist der Fall?

Kosubek: Ja, allerdings waren das Einzelfälle. Etwa war da ein angeblicher ARD-Kameramann, so hatte er sich selbst vorgestellt. Als im Laufe des Gesprächs herauskam, für wen ich arbeite, flippte er völlig aus, nannte sich selbst „Journalist mit Ethos“ und machte uns klar, daß wir Abschaum seien. Oder auf einem Straßenfest war in der Gruppe ein ehemaliger ARD-Hauptstadtkorrespondent, der jetzt beim Radio ist. Er machte mich öffentlich lauthals für alles mögliche verantwortlich – für die Politik Putins, die Erdogans und alle Übel der Welt. Auch die anderen Männer in der Runde waren vollkommen schockiert über das Auftreten. Da ich ruhig blieb und offenbar nicht so reagierte, wie er es sich vorstellte, forderte er mich auf, gefälligst Kontra zu geben – schließlich sei ich russische Propagandistin! Er wurde immer aggressiver, bis ich schließlich ging, weil es doch sehr bedrohlich wurde – verbal bedrohlich, wohlgemerkt, nicht körperlich. 

Was denken Sie darüber?

Kosubek: Er hat nicht gemerkt, daß er genau das tat, was er mir vorwarf, nämlich zu hetzen. Aber mittlerweile ist es mir völlig egal, wenn man mich eine „Propagandistin“ nennt. 

Warum das? 

Kosubek: Was bedeutet das Wort schon? Die meisten, die mich so nennen, kennen unser Programm gar nicht, sie haben „Der fehlende Part“ nie gesehen und keine Ahnung, was ich mache. Sie sagen einfach das, was man eben über uns sagt. Und ich glaube, daß ich meine Tätigkeit sogar häufiger hinterfrage als die meisten anderen Journalisten – die ja nicht so wie ich mit Vorwürfen konfrontiert werden. Ich bin davon überzeugt, daß ich Themen anpacke, die wichtig sind und die andere lieber meiden. Und deshalb ist es mir egal, wenn diese Leute mir Vorwürfe machen, die erstens unbegründet und zweitens meist nur nachgeplappert sind.

Das ändert aber nichts daran, daß all das im Dienste der Politik des Kremls steht. Selbst wenn RT Deutsch hierzulande wertvolle journalistische Aufklärungsarbeit leisten sollte, geschieht das nicht in der Absicht, Freiheit und Demokratie hier zu stärken, sondern um Flankenschutz für die Politik Putins zu geben: Je mehr die Deutschen mit Kritischem und Mißständen hierzulande beschäftigt werden, um so weniger kümmern sie sich um Moskaus Politik – in der Ukraine, im Baltikum, in Syrien, im Luftraum über der Ostsee oder rechtsstaatlichen Mißständen in Rußland.  

Kosubek: Dann sollen die Kritiker das so formulieren. Statt dessen wird geschrien: Propagandasender! Wenn, wie ich einmal gelesen habe, Propaganda „die gezielte Verbreitung von Desinformation“ ist, dann trifft das auf unsere Arbeit einfach nicht zu. Und welche Funktion – wenn Sie in Ihrer Frage eben darauf abstellen – erfüllen eigentlich andere Auslandssender, wie etwa CNN, Deutsche Welle oder BBC World Service? Ganz abgesehen von der Frage, ob es nicht legitim ist, daß ein Staat seine Interessen in einem anderen Land auf offene und legale Weise wahrnimmt. Und wenn ja, mit welchem Recht wollen wir das dann ausgerechnet Rußland absprechen? 

Wohl alle staatlichen Mächte haben Blut an den Händen, keineswegs nur Rußland. Allerdings arbeiten andere Journalisten nicht für einen Staat, sondern einen Verlag oder einen Sender. Ihr Arbeitgeber ermordet zum Beispiel mutmaßlich Oppositionelle oder bombardiert Syrien, der Arbeitgeber eines normalen Journalisten nicht. Haben Sie nicht doch ein Moralproblem?

Kosubek: Das ist eine gute Frage, aber Rußland ist ein legitimer Staat, auch wenn dieser nicht unseren Anforderungen entsprechen mag. Aber es gibt dort Wahlen, ein Parlament – mit einem Parteienspektrum von ganz links bis ganz rechts – und eine gewählte Regierung. Ist es wirklich illegitim, für diesen Staat zu arbeiten? Und für welchen Staat dürfte man dann arbeiten, ohne sich schuldig zu machen – auch als Beamter, Lehrer, Polizist oder Soldat? Und was ist mit den Steuerzahlern, ohne deren Geld Deutschland zum Beispiel den USA nicht helfen könnte, ebenfalls Syrien zu bombardieren? Und bitte beachten Sie: im Gegensatz zu Rußland unter Bruch des Völkerrechts! Im übrigen hat der renommierte US-Politologe John Mearsheimer einmal erklärt, daß nach allgemeingültigem geostrategischen Denken die Operationen Rußlands in Osteuropa eher legitim seien als die Operationen der USA, weil dies nun mal Rußlands Einflußsphäre sei – umgekehrt gelte das natürlich auch für zum Beispiel Mittelamerika in bezug auf die USA. Ich denke, Teil des Problems ist auch, daß wir Europäer Rußland nicht nach seinen eigenen Erfahrungen beurteilen. Wir beachten nicht, daß jede Gesellschaft ein kollektives Empfinden entwickelt und daß das der Russen anders ist als das unsere. Daß die Russen zum Beispiel durch den Zerfall von UdSSR und Ostblock seit 1990 und das Vordringen des Westens „traumatisiert“ oder leicht „paranoid“ sind und daß sie deshalb etwa die Maidan-Revolution ganz anders interpretiert haben als wir. Oder daß sie nach der verstörenden Chaos-Erfahrung der Jelzin-Jahre ein ganz anderes Verhältnis zu einer autoritär auftretenden politischen Führung haben als wir, die wir seit 1945 nicht mehr erlebt haben, was es bedeutet, wenn einer Gesellschaft der Boden unter den Füßen weggezogen wird. 






Jasmin Kosubek, moderiert seit dem Start des Internet-Nachrichtenportals RT Deutsch dort das Polit-Format „Der fehlende Part“. Das Magazin ist die erste Sendung, mit der die deutschsprachige Ausgabe des staatlichen russischen Auslandsfernsehnetzwerks RT (vormals Russia Today) im November 2014 den Betrieb aufnahm. Inzwischen hat RT Deutsch neben „Der fehlende Part“ drei weitere Magazine im Programm. Geboren wurde Jasmin Kosubek 1987 im schwäbischen Reutlingen als Tochter eines Deutschen und einer Brasilianerin. Sie studierte Marketingkommunikation und Internationale BWL. 2017 sorgte ihr Interview mit Außenminister Sigmar Gabriel für Aufmerksamkeit.

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Foto: Nachrichtenmoderatorin Kosubek: „Wir sind in Deutschland sozusagen ’Der fehlende Part’, wie meine Sendung heißt. Wir bringen das, was die anderen hierzulande nicht aufgreifen “

 

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