© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Spalten statt versöhnen
Linkspartei: Der Konflikt zwischen der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Fraktionschefin Sarah Wagenknecht schwelt weiter / SPD-Linke gründen neue „Plattform“
Peter Möller

Eigentlich liegen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht gar nicht so weit auseinander. Die beiden Politikerinnen der Linkspartei versuchen seit Wochen, die Scherben aufzusammeln, die die Bundestagswahl auf der politischen Linken hinterlassen hat. Denn am Abend des 24. September war auch dem letzten klar, daß der linke Traum von einem rot-rot-grünen Bündnis auf Bundesebene auf absehbare Zeit zerbrochen ist. Doch darüber, was mit den Überresten der linken Bündnisphantasien geschehen soll und wie ein neuer Anlauf für eine politische Mehrheit links der Mitte organisiert werden kann, ist in der Linkspartei ein erbitterter Streit ausgebrochen.

Bereits im Januar hatte Wagenknecht als Vorsitzende der Linksfraktion, in Anlehnung an eine Idee ihres Ehemannes Oskar Lafontaine, die Gründung einer neuen sozialen Sammlungsbewegung ins Spiel gebracht (JF 6/18) und war damit parteiintern auf scharfe Kritik gestoßen. In der vergangenen Woche legte sie nun in einem Interview mit der taz nach: „Ich möchte, daß es wieder Mehrheiten für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit gibt. Wer den Rechtsruck stoppen will, muß den Neoliberalismus ablösen.“ Die Mehrheit der Bevölkerung sei für eine Vermögensteuer, für höhere Löhne und für bessere Renten. „Aber es gibt aktuell nur eine Partei, die diese Forderungen vertritt, die Linke, und die hat keine Chance, allein eine Regierung zu bilden. Lange Zeit haben wir deshalb auf Rot-Rot-Grün gesetzt. Aber diese Option ist tot“, sagte Wagenknecht. „Ich möchte ein Angebot an all diejenigen machen, die früher mal SPD oder Grüne gewählt haben, aber der Linken bisher nicht ihre Stimme geben.“ Es gehe dabei nicht um Spaltung, sondern um eine Sammlung, versicherte sie.

Das sieht vor allem Linkspartei-Chefin Kipping anders. Nur einen Tag nach Erscheinen des taz-Interviews erteilte sie in einem Gastbeitrag in der Zeit der Idee einer linken Sammlungsbewegung eine Absage. Sie glaube nicht, „daß eine weitere linke (Sammlungs-)Partei gegenwärtig die Kräfteverhältnisse nach links verschieben würde, vielmehr würde es zu einer Aufspaltung der Kräfte kommen. Erfolgversprechender erscheint mir, die Partei Die Linke größer zu denken: als Partei in Bewegung“, schreibt Kipping. 

„Hoffnung, einiges bewegen zu können“

Als Ziel gibt sie aus, linke gesellschaftliche Organisationen enger an die Linkspartei zu binden. Kipping fürchtet offenbar, daß das Sammlungsprojekt aus dem Hause Wagenknecht/Lafontaine am Ende – wenn nicht gleich das Aus für die Linkspartei – ihr Ende als Parteichefin bedeuten könnte. Dennoch gibt sie sich versöhnlich. „Die Situation ist offen. Nutzen wir sie für eine neue Dynamik von links. Laßt uns darüber ins Gespräch kommen“, schreibt sie mit Blick auf Wagenknecht.

Die Abneigung gegen Wagenknechts Idee einer Sammlungsbewegung speist sich aber vor allem aus den Positionen der Fraktionschefin zur Flüchtlingspolitik. „Merkels Politik läuft darauf hinaus, daß die weniger Wohlhabenden die Hauptlast der Zuwanderung tragen“, sagte Wagenknecht der taz. Wenn man den Betroffenen dann erzähle, es gebe gar keine Probleme, müsse man sich nicht wundern, daß sie einen nicht wählten, sagte sie mit Blick auf das Scheitern von Rot-Rot-Grün. „Einige meinen, wer das anspricht, würde die Armen gegen die Flüchtlinge ausspielen. Aber es ist die herrschende Politik, die sie ausspielt, diese Konkurrenz ist die Realität. Wer das wegschweigt, treibt die Menschen in die Arme der AfD“, warnt Wagenknecht ihre Kritiker.

Ungeachtet des Streits in der Linkspartei stößt die Idee einer linken Sammlungsbewegung auch in der SPD auf Zuspruch. So hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow eine „Progressive Soziale Plattform“ gegründet. Ziel sei es, Menschen zu vernetzen, die eine soziale, progressive Politik wollen. „Wir haben die Hoffnung, einiges bewegen zu können, gerade in der Zeit, wo viele enttäuscht sind“, sagte Bülow. Der Gründungsaufruf der Initiative fordert unter anderem bezahlbare Wohnungen und faire Steuern und wendet sich gegen Einschränkungen beim Asylrecht. Die Pläne von Wagenknecht stoßen bei Bülow und seinen Mitstreitern auf Ablehnung. Diese stehe eher für „linke Politik im nationalen Rahmen. Das ist keine europäische Politik, wie wir sie wollen“, sagte der Berliner SPD-Politiker Kevin Hönicke der taz.