© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Parallelwelten breiten sich aus
Integration in Deutschland: Der ARD-Journalist Joachim Wagner zieht für hier lebende Muslime eine fatale Bilanz und sieht keinen Trend zur Umkehr
Nicolaus Fest

Im Sommer 2014, nach wüsten anti-semitischen Demonstrationen vieler Muslime in deutschen Städten, schrieb der Verfasser dieser Buchkritik in der Bild am Sonntag einen Kommentar, der eine gewisse Bekanntheit erreichte. Vertreter muslimischer Organisationen gaben sich empört und zeigten einmal mehr, was sie unter herrschaftsfreiem Diskurs verstehen: Verleumdung, Forderungen nach Berufsverbot und Kündigung, nach Einschränkung der Pressefreiheit. Offensichtlich traf mein Kommentar, der inhaltlich nie widerlegt werden konnte, einen wunden Punkt. Seine Überschrift lautete: „Islam als Integrationshindernis“. 

Nun gibt es ein Buch, das genau dieses Thema wieder aufgreift: „Die Macht der Moschee“ von Joachim Wagner. Denn im Untertitel fragt der Autor: „Scheitert die Integration am Islam?“ Wagner ist dabei völlig unverdächtig, Sympathien für islamkritische oder konservative Bewegungen zu hegen. Zehn Jahre lang leitete er das NDR-Magazin „Panorama“, von 2006 bis 2008 moderierte er die Sendung „Bericht aus Berlin“. 

Was bietet Wagners Buch? Keine neuen Erkenntnisse. Doch liefert „Die Macht der Moschee“ ein reiches empirisches Fundament: Wagner hat alle wichtigen Studien ausgewertet, mit Integrationsforschern, Sozialarbeitern und Lehrern gesprochen, mit Muslimen und, sofern sie sich nicht verweigerten, auch mit ihren Verbandsvertretern. Herausgekommen ist ein sehr lesbares Werk, das allerdings wenig Hoffnung macht. Die Integration ist nach Wagners Ansicht gescheitert, und nichts spricht dafür, daß sich dies ändern wird. 

Ausdruck dieses Scheitern ist für Wagner vor allem die mangelnde Akzeptanz unserer Wert- und Rechtsordnung. Das Gewalt- und Justizmonopol des Staates wird von vielen Muslimen nicht anerkannt, die Diskriminierung der Frau ist ihnen selbstverständlich; ebenso sind es Antisemitismus und Homophobie. Meinungs- und Pressefreiheit sind bestenfalls zweitrangig, Religionsfreiheit wird eingefordert, aber nie gewährt. „Bei knapp fünfzig Prozent der Muslime“, so Wagner, „ist die Integration in unsere Rechts- und Demokratiekultur fehlgeschlagen.“

Und die Gräben vertiefen sich, von den Muslimen befördert. Mit den „Kartoffeln“ und „Ungläubigen“ will man, dafür nennt Wagner viele Beispiele, nichts zu tun haben. Ihre Basis findet die integrationsfeindliche Absonderung vor allem im Koran, dem Paradebeispiel gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Eine Sure nennt Homosexuelle „Verbrecher“, eine andere Juden „Schweine und Affen“. Generell sind Anhänger anderer Religionen minderwertig: „Heirate keine heidnischen Frauen. Eine gläubige Sklavin ist besser als eine heidnische Frau!“ Daß es kaum noch zu interkonfessionellen Heiraten kommt, kann kaum verwundern. 

Hinzu tritt die Re-Islamisierung vieler Muslime. Seit den 1980er Jahren erlebt der muslimische Fundamentalismus weltweit eine Renaissance. Stolz nennen sich junge Deutschtürken „Generation Allah“. Gerade bei ihnen, Hätschelobjekt vieler linker Gesellschaftsklempner, ist die Integration radikal mißlungen. Denn nicht einmal bei den Muslimen aus Syrien, Afghanistan oder Pakistan ist die Distanz zur deutschen Gesellschaft größer. 65 Prozent der Deutsch-Türken fühlen sich der Türkei näher als Deutschland, nur noch 13 Prozent wollen sich einbürgern lassen. Die nationalistischen Demonstrationen für Erdogan, für Diktatur und Todesstrafe, waren kein Zufall. Die Mehrheit der Deutschtürken lehnt Deutschland ab.

Unterstützt werden sie dabei von den muslimischen Verbänden. In ihnen sieht Wagner das Haupthindernis für Integration. Denn ihr im Weg zu stehen, ist ihre Aufgabe, dafür werden sie vom Ausland finanziert: von der Türkei, von Pakistan, dem Iran, Saudi-Arabien. Daher wird in ihren Moscheen in den Landessprachen gepredigt, deshalb sprechen die aus dem Ausland gesandten Imame bewußt kein Deutsch. Auch sie sollen sich nicht integrieren. 

Wenig Hoffnung hat Wagner, daß Bildung und Beruf zur Integration beitrügen. Wissenschaftlich sei das längst widerlegt. Schon mit den Deutsch-Türken sei das deutsche Schulsystem überfordert gewesen, die seit 2015 erfolgte Migration stelle es endgültig vor unlösbare Probleme. Seit Jahren gingen die Sprachkenntnisse zurück – auch aufgrund des arabischen Koran-Unterrichts, den viele muslimische Kinder nach der Schule besuchen. Aber wie sich integrieren, wenn man die Sprache des Landes nicht spricht? 

Auswege aus dem Dilemma bietet Wagner nicht. Das ist die Schwäche des Buches, gerade angesichts der Maßnahmen, mit denen aktuell Dänemark Islamisierung und Parallelgesellschaften zu bekämpfen versucht. Zwar plädiert er für eine „Obergrenze“, aber mit Blick auf die hier lebenden Muslime scheut der frühere „Panorama“-Chef drastische Schritte. „Mehr Transparenz“ fordert er  und „mehr Wertevermittlung“. Pragmatisch geht anders. Resignierend sieht er vier Modelle des Zusammenlebens: Assimilation, Integration, Miteinander und Nebeneinander. Daß auch ein Gegeneinander möglich und sogar in vielen europäischen Städten längst der Fall ist, läßt er unausgesprochen. Aber darauf läuft es hinaus. 






Dr. Nicolaus Fest ist Jurist und Journalist. Er war bis September 2014 stellvertretender Chefredakteur der „Bild am Sonntag“.

Joachim Wagner: Die Macht der Moschee. Scheitert die Integration am Islam? Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2018, gebunden, 352 Seiten, 24 Euro