© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Ländersache: Bayern
Hundert Prozent „El Marco“
Thorsten Brückner

Hundert Prozent wolle er für Bayern geben, kündigte Markus Söder vor seiner Wahl zum bayerischen Ministerpräsidenten an. 100 Prozent gaben auch die Mitglieder der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag – für Söder. 99 der 99 anwesenden Abgeordneten der Christsozialen stimmten vergangenen Freitag für ihn, dem ewigen Nachfolger, dem Prinz Charles der bayerischen Politik. Vorausgegangen war der Wahl – anders als im Deutschen Bundestag – eine Aussprache. In den Reden der Fraktionsvorsitzenden Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Ludwig Hartmann (Grüne) und Natascha Kohnen (SPD) ging es dabei um alles mögliche, nur nicht um die kurz darauf anstehende Ministerpräsidentenwahl. Zu groß wohl die Versuchung, die Medienaufmerksamkeit, die der Landtag an diesem Tag erfuhr, für die eigene parteipolitische Profilierung zu nutzen – schließlich stehen am 14. Oktober Landtagswahlen an. 

Und an Themen mangelt es der Opposition wahrlich nicht. Die Freien Wähler etwa haben sich die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge auf die Fahne geschrieben. Die möchte die CSU zwar mittlerweile auch abschaffen, aber gerade in einem Wahljahr will die kommunal so stark verankerte Partei diesen Erfolg nicht den Schwarzen überlassen. 190.000 Unterschriften konnten die Freien Wähler dem Innenministerium übergeben. 

Mit einem Volksbegehren versuchen es auch die Grünen. Ihr Anliegen: Den außer Kontrolle geratenen Flächenverbrauch im Freistaat stoppen. Jeden Tag wird zwischen Hof und Garmisch-Partenkirchen eine Fläche in der Größe von 18 Fußballfeldern zubetoniert. Mit 46.000 Unterschriften gelang es auch der Öko-Partei, die neben Hartmann mit Katharina Schulze eine sympathische und charismatische Jungpolitikerin ins Rennen schickt, ein Volksbegehren in die Wege zu leiten. 

Die größte Sorge des neuen Ministerpräsidenten ist unterdessen weniger die Konkurrenz von links, als vielmehr die AfD. Die konnte bei der Bundestagswahl gerade in der CSU-Hochburg Niederbayern Erdrutscherfolge feiern. Munition für den Wahlkampf haben die Blauen genug. Nicht zuletzt Söders Rede vor der türkischen Ditib-Gemeinde in Nürnberg im Jahr 2012 könnte dem Mittelfranken auf die Füße fallen. „Der Islam ist ein Bestandteil Bayerns“, sagte er damals. Ob sein Vorgänger Horst Seehofer dieses Zitat seines Erzfeinds wohl im Hinterkopf hatte, als er vergangene Woche verkündete, der Islam gehöre nicht zu Deutschland? Auch ohne das Nachtreten Seehofers hat Söder mittlerweile die Tragweite seines Fauxpas von damals verstanden. 

Bei seinem ersten offiziellen Auftritt nach der Wahl zum Josefi-Fest im oberbayerischen Reutberg wollte Söder von dieser Formulierung nichts mehr wissen. Nicht mehr der Islam, die Muslime seien ein Bestandteil der bayerischen Gesellschaft, betonte er dort. „Aber wer behauptet, daß der Islam in Bayern kulturgeschichtliche Wurzeln hat, der irrt fundamental.“ Und um noch einen weiteren Gegner muß sich „El Marco“, wie er im legendären Nockherberg-Singspiel dieses Jahr getauft wurde, kümmern. Ein Einzug der FDP, die in Umfragen derzeit bei sechs Prozent liegt, würde eine absolute Mehrheit für Söders CSU extrem unwahrscheinlich werden lassen.