© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Männer machen ihr eigenes Ding
Die US-Psychologin Helen Smith deutet den maskulinen Rückzug unter der Fuchtel des Feminismus
Martin Voigt

Frauen haben im Geschlechterkampf die Oberhand gewonnen. Jahrzehnte des Feminismus von „Mein Bauch gehört mir“ bis „#metoo“ haben nicht mehr viel übriggelassen vom einstmals stolzen Patriarchen, der für Frau und Kinder ein- und geradestand. Bestenfalls werden seine rudimentären männlichen Züge als Marotten abgetan und belächelt. Helen Smith aus Tennessee zeichnet in ihrem Buch „Männerstreik. Warum das starke Geschlecht auf Bindung und Kinder verzichtet“ ein noch düstereres Bild. Als forensische Psychologin befaßt sie sich in ihrer Praxis seit über zwanzig Jahren mit der Lebenswirklichkeit von Männern und Jugendlichen. 

Ihre These: Das feministische Dauerlamento habe sich in einem männerkritischen Gesellschaftsklima und gesetzgeberischen Gleichstellungsfuror niedergeschlagen. Männer seien es leid, als verklemmte Nerds, als Rüpel in der Soft-Skill-Welt oder gar als potentielle Belästiger und Vergewaltiger abgestempelt zu werden. Still und leise hätten sie damit begonnen, sich aus dem von Frauen dominierten gesellschaftlichen Leben zurückzuziehen. Besonders den Heiratsmarkt würden sie links liegenlassen. „Ohne Frau und Kind gehen sie ihrer eigenen Wege und erweisen sich im Ausbruch aus dem leidigen Gefüge wieder als echte Kerle“, faßt Helen Smith ihre Beobachtung zusammen. 

Die Männerrechtsaktivistin bricht eine Lanze für die Zurückgezogenen, für all jene echten Männer, die sich in der politisch korrekten Gender-Welt nicht mehr zurechtfinden, und denen stets unterstellt wird, sie würden sich aus der Verantwortung stehlen. Männer seien beziehungsunfähig, sozial inkompetent und unreif, heißt es oft. Sie würden mit Ende Zwanzig immer noch in ihrem Jugendzimmer sitzen und lieber Videospiele mit archaischen Heldenfiguren spielen, als heiraten und sich so zu verhalten, wie ein Mann sich zu verhalten habe, nämlich angepaßt. Diese Sicht auf Männer sei voller Häme, findet Helen Smith. Der Mann als Angestellter und Dienstleister in einer feminisierten Kultur, die ihm rein gar nichts mehr zu bieten habe – gemäß der Devise „No woman, no cry“.

Die Psychologin klingt zwischen den Zeilen etwas harsch in ihrem Urteil, von Liebe als realistischer Option für das Zusammenleben von Männern und Frauen ist kaum die Rede. Doch ihre Empirie ist schließlich auch nicht auf das süditalienische Familienoberhaupt, sondern dem domestizierten weißen US-Amerikaner ausgerichtet. Vor allem wenn Mann sich in den Staaten an einer geisteswissenschaftlichen Universität oder vor einem Familiengericht wiederfindet, sollte er sich in acht nehmen, sofern er noch dazu kommt. Wer als weißer heterosexueller Mann in den Unis nicht offensichtlich für Gender-Diversity und Feminismus kämpft, macht sich verdächtig. In familienrechtlichen Fragen sind Männer die Melkkühe der Nation ohne Anspruch auf Sorgerecht.

Ist es wirklich so bitter um das starke Geschlecht bestellt, auch bei uns? Nein, alles gut, will man eilfertig einlenken – aber: Wer könnte denn auf Anhieb ein modernes Jugendbuch oder einen Film nennen, wo ein Familienvater als liebevoller Patriarch im besten Sinne dargestellt wird? Kein trotteliger Teddy-Daddy und auch kein alleinerziehender Superdad, sondern einer, der die Hosen an und das letzte Wort hat?

Auf Facebook kursieren alte Werbefilme von Dr. Oetker aus den fünfziger Jahren. Die machen die Runde, weil sich die Leute ziemlich echauffieren, oder auch weil viele nur belustigt sind über das Rollenverhältnis zwischen Mann und Frau, das da gezeigt wird. Schauplatz sind Küche und Wohnzimmer: Die adrett gekleidete Dame des Hauses ist redlich darum bemüht, ihren Gatten nach seinem anstrengenden Arbeitstag zum wohlverdienten Feierabend kulinarisch zu verwöhnen. Sie nimmt die Zuschauerin mit zum Herd und zum Backofen, wo sie die Rezepte von Dr. Oetker erklärt, die ihr Ehemann besonders schätzt. Als dieser nach Hause kommt, ist der Tisch bereits gedeckt und es schmeckt ihm wieder einmal köstlich, was seine Frau zu einem glücklichen Strahlen in die Kamera veranlaßt.

Feminismus hat Selbstbild von Männern geändert

Heutzutage gibt es kaum eine Frau, die bei diesem Szenario trotz der damals schon subtilen Überhöhung nicht in Schnappatmung verfällt. Mit einem Augenzwinkern sah man es damals, weil man das gezeigte Ideal für erstrebenswert hielt. Lächerlich wirkt es heute, weil die Rolle der Hausfrau fünfzig Jahre lang lächerlich gemacht wurde. Verständlich die Wut der Frauen, wenn sie dieses Video auf Facebook kommentieren. Von klein auf bekamen sie die Empowerment-Botschaft eingeimpft. Seltsamerweise enden Wut und Mitgefühl bei den Verhältnissen jener Frauen in vielen Migrantenmilieus, in denen diesen eine viel traditionellere, ja, archaischere Rolle zugewiesen wird, der gegenüber die deutsche Hausfrau in den fünfziger Jahren als emanzipiert gelten dürfte.  

Die Jahrzehnte andauernde feministische Gehirnwäsche hat aber auch das Selbstbild und das Verhalten von Männern geändert. Von der Grundschule bis zur Universität, im Arbeitsleben und in der Familie ist alles auf die Selbstverwirklichungsbedürfnisse von Frauen ausgerichtet, was Männer inzwischen als gegeben hinnehmen. Ihr Rückzug aus der Gesellschaft, in der ein falscher Blick schon zum Sexualdelikt wird, ihr Verschwinden aus den Colleges, die zu „Mädchenpensionaten“ verkommen, und ihr Streik als Ehemänner und Väter ist demnach keine bewußte Entscheidung, meint Helen Smith, sondern ihre unbewußte Reaktion auf die kulturelle, juristische und emotionale Drangsalierung von Männern. 

Auch die Angst spielt eine Rolle. Männliche Trainer oder Lehrer von Kindern stehen mit einem Fuß im Gefängnis. Selbst der alltägliche Kontakt mit Kindern birgt schon Gefahren. Ein 28jähriger, der wegen einer 14jährigen eine Gefahrenbremsung machen mußte, sprang aus dem Auto und packte das Mädchen unter Schock am Arm. Nun stehen sein Name und seine Adresse für alle Welt einsehbar im Register für Sexualstraftaten. Der normale Mann sagt da: ohne mich. Studien und Statistiken dokumentieren seinen Ausstieg aus der Gesellschaft, die, so die Psychologin, ohne männliche Tugenden über kurz oder lang dem Tode geweiht ist. Denn wenn Männer keine wahren Männer mehr sind, heißt es irgendwann: Frauen und Kinder zuletzt.

Helen Smith: Männerstreik. Warum das starke Geschlecht auf Bindung und Kinder verzichtet. Manuscriptum Verlag, Lüdinghausen 2017, gebunden, 312 Seiten, 29,80 Euro