© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

Politik ist ein Poser-Geschäft
Christian Moser-Sollmann berät den österreichischen Bundeskanzler Kurz und schreibt über die Liebe
Ansgar Lange

Unser Nachbarland Österreich hat mit Sebastian Kurz den jüngsten Bundeskanzler aller Zeiten. Der 31jährige ist zugleich Vorsitzender der Politischen Akademie der Österreichischen Volkspartei, also dem Pendant zur deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung. Einer der Berater des Kanzlers heißt Christian Moser-Sollmann. Er ist bei der Politischen Akademie zuständig für den Bereich „Think Tank“. Und er hat mit „Tito, die Piaffe und das Einhorn“ nun seinen ersten Roman vorgelegt. 

Wer etwas über Bier, Wien, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Österreich, die Liebe und das harte Geschäft der Politikberatung erfahren möchte, der sollte zu diesem Buch greifen. Angesichts des beruflichen Hintergrundes von Moser-Sollmann wundert es einen, daß er ohne Schere im Kopf schreibt und Kritik am Politikbetrieb nicht nur zwischen den Zeilen formuliert.

Der 1972 geborene Autor schöpft aus dem vollen. Er hat als Journalist und PR-Texter gearbeitet, anspruchsvolle politisch-philosophische Sammelbände herausgegeben, so über „Konservative Korrekturen“, „Schlüsselbegriffe der Demokratie“ oder auch „Stichwortgeber für die Politik“ – allesamt seriöse Fachbücher. 

Lauter Wichtigtuer mit aufgeblähtem Ego

Seit 2009 amtiert er als Geschäftsführer des Friedrich-Funder-Instituts, das Journalisten und Medienarbeiter ausbildet. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, daß bei der Charakterisierung des Protagonisten Tito, eines biertrinkenden Politikberaters, der gern in der Kneipe „Einhorn“ einkehrt, etliche Erfahrungen aus Moser-Sollmanns beruflicher Laufbahn eingeflossen sind. 

Zu Beginn des Romans ist Tito ein zynischer, überarbeiteter Politikberater in der österreichischen Medienmetropole an der Donau, der mit anderen leicht traurigen Gestalten freitagsabends gern drei oder vier Biere im „Einhorn“ zu sich nimmt. Klar, ein paar Liebschaften gab es schon in Titos Leben. Er ist kein Kostverächter. Aber im großen und ganzen führt er anfangs eine Art geistige Frührentnerexistenz („Ich verfüge über den Aktionsradius eines 85jährigen Pensionisten“) ohne viel Mumm und Leidenschaft für Neues. 

Als er die zarte, aber charakterlich nicht ganz einfache Ulrike kennenlernt, ändert sich das. Moser-Sollmann erzählt sehr schön, welche Gefühlsschwankungen mit einer neuen Liebe verbunden sind. Da gibt es die Idealisierung der Angebeteten, sehr lustige Geschichten über das Besuchen von Einrichtungshäusern vor dem Bezug der gemeinsamen Wohnung, das ganze Jammertal von Streit und Versöhnung, auch ein paar Prisen Sex und nicht wenig Herzeleid. Besonders gut trifft der Autor auch den Hang mancher Männer, sich bis zur Selbstverleugnung zu verrenken, nur um die Geliebte zu halten.

Generell sieht Tito seinen Job als Politikberater als schnöde Erwerbsarbeit an, da von irgendwas schließlich die Miete gezahlt werden muß. Allerdings liebt er schon das Erstellen von Fachdossiers für irgendwelche Minister und das Verfassen von Ghostwritings, weil er so in multiple Identitäten schlüpfen kann: „Einmal gebe ich den sozial engagierten Volksnahen, dann den harten Sanierer, dann den einfühlsamen Recht-und-Ordnung-Vertreter. Ich bin beim Verfassen dieser Texte definitiv ein anderer.“

Recht hart verurteilt Tito den Politikbetrieb: „Politik funktioniert wie Hollywood, nur sehen die Darsteller weniger gut aus. Die Branche besteht aus Wichtigtuern mit aufgeblähtem Ego. Neunzig Prozent aller Wortmeldungen sind entbehrlich. Politik ist ein Poser-Geschäft, wenn es keine Aufregung gibt, sind die Wähler unglücklich und werden zappelig.“ Tito verspürt jedenfalls keine emotionale Verbindung zur Parteienlandschaft in Österreich oder zu seiner Arbeit. Statt weiter über die „Verkommenheit Österreichs“ will er hinfort lieber über die „Vollkommenheit Ulrikes“ nachdenken.

Christian Moser-Sollmann: Tito, die Piaffe und das Einhorn. Roman. Dachbuch Verlag, Wien 2017, gebunden, 288 Seiten, 19,99 Euro