© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

Knapp daneben
Liebe zur Natur
Karl Heinzen

Bettina Sättele ist eine Integrationshelferin der besonderen Art. Als Biberbeauftragte des Regierungsbezirks Freiburg tingelt sie von Gemeinde zu Gemeinde, um skeptische Politiker und widerspenstige Bürger davon zu überzeugen, daß eine Koexistenz mit dem größten Nagetier Europas möglich ist. Diese Aufgabe ist nicht leicht, gibt es doch einleuchtende Gründe, warum unsere Vorfahren dankbar waren, als dieses hyperaktive Vieh endlich ausgerottet schien. Biber greifen brutal in die Natur ein, sie verschandeln Landschaften, fressen die Äcker kahl, zerstören Infrastruktur und manipulieren Gewässer. Wo man sie gewähren läßt, ist mit Überschwemmungen zu rechnen. Nur eine permanente Überwachung ihres Treibens kann das Schlimmste verhindern, und diese kostet ihren Preis, den der Steuerzahler zu berappen hat.

Besondere Freude empfinden wir, wenn die Natur nicht nur wiederkehrt, sondern zurückschlägt.

Warum lassen sich die Deutschen eine Plage wie diese gefallen? Zum einen sagen sie sich wahrscheinlich: Auf dem Land ist Platz genug. Die Menschen ziehen weg in die Städte, die Urbevölkerung wird immer älter, irgendwann dürfte sie sowieso ausgestorben sein. Die Einwanderer hingehen bevorzugen die Städte und werden noch zwei bis drei Generationen brauchen, um sich mit der Provinz anzufreunden. Zum anderen waren die Deutschen schon immer Naturfreunde. Früher gingen sie für die Artenreinheit über Leichen. Heute bevorzugen sie eher die Artenvielfalt. Sie sorgen sich um die Biber, lassen Wolf und Wildschwein gewähren. Wenn irgendwo auf der Welt ein Tier ausstirbt, würden sie am liebsten in den Krieg ziehen, um es zu rächen, wenn sie denn eine Armee hätten, die dazu fähig wäre. Besondere Freude empfinden sie dann, wenn die Natur nicht nur wiederkehrt, sondern zurückschlägt. Diesen Gefallen erweist ihnen die Krätze. Lange glaubte man in zivilisatorischer Überheblichkeit, der der kleinen Milbe ihren Lebensraum genommen zu haben. Heute findet sie immer neue Wegbegleiter, die sie gleich in doppelter Hinsicht beglückt: Wer sich kratzt, erlebt am eigenen Leibe nicht nur, daß die Natur stärker ist als der Mensch. Sie gewährt ihm zugleich die Gnade, Buße zu tun für all das, was er ihr angetan hat.