© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Ländersache: Berlin
Panik bei der Linkspartei
Ronald Berthold

Der Berliner Senat ist stolz auf seine „Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge“ (MUF). Das seien „qualitativ hochwertige Gebäude“ mit einer Mindestlebensdauer von 80 Jahren. Sogar mit Fußbodenheizung würden alle Wohnbereiche ausgestattet, heißt es auf der Homepage des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten. 25 neue MUF sollen nun in Berlin entstehen.

Unter einem Tagesspiegel-Artikel dazu stellte ein Leser die Frage: „Wozu eigentlich werden allüberall so viele MUFs aus dem Boden gestampft, wenn doch die Flüchtlingszahlen, wie unisono beteuert wird, zurückgehen? Wie paßt das zusammen?“ Darauf wird der Leser kaum eine Antwort bekommen. Allerdings ist sie nicht ganz unberechtigt. Immerhin sollen in jede MUF 200 bis 450 Menschen einziehen. Das ergibt insgesamt Platz für rund 10.000 Neuberliner. Da es bereits jetzt schon 30 dieser Unterkünfte in der Hauptstadt gibt, läßt sich aus dieser Tatsache ohne Zweifel an der offiziellen Darstellung vom abebbenden Migrantenstrom zweifeln. Denn es ist praktisch eine Verdoppelung geplant.

Die neuen Einwanderer-Wohnkomplexe sollen über alle zwölf Bezirke gleichmäßig verteilt werden. Nur Neukölln erhält gleich drei – und das ausgerechnet im südlich gelegenen Buckow. Dieser bürgerliche Stadtteil wies bisher eine relativ geringe Ausländerquote auf. Der Bezirk ist derzeit führungslos, nachdem die für ihre deutlichen Worte in der Migrationspolitik bekannte Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) Bundesfamilienministerin wurde. Obwohl Politiker häufig betonen, wie gern sie sich um Flüchtlinge kümmern und wie sehr diese die einfältige Kultur mit ihrer Vielfalt bereichern, kommt nun aus fast allen Bezirksämtern scharfer Protest. Am lautesten schimpft die Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle. Die Politikerin gehört der Linkspartei an. Plötzlich spricht sie etwas ängstlich von der „Akzeptanz der Einrichtungen bei der Bevölkerung“. Diese stehe und falle mit der Frage, „ob und wie die Infrastruktur in den von weiteren modularen Unterkünften betroffenen Gebieten entwickelt und finanziert werden soll“.

Tatsächlich dürften eher Ängste von Frauen vor Übergriffen und Mietern vor Einbrüchen dominieren. In dem östlichen Bezirk war die AfD bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung knapp hinter der Linken zweitstärkste Partei geworden. Sie hat nur ein Mandat weniger als Pohles Partei. So ein Wahlergebnis – die Linke verlor mehr als fünf Prozentpunkte – macht aus der Verzweiflung offenbar Mut, doch einmal gegen die Parteilinie zu bürsten. Wehren aber wird sich kein Bürgermeister mehr können. Der Beschluß des Senats – immerhin wie die meisten Bezirksämter aus SPD, Linken und Grünen gebildet – steht fest.

Unmut gibt es aber auch aus anderen Gründen: Dem grün-regierten Friedrichshain-Kreuzberg geht das alles nicht weit genug. Am liebsten hätte man dort gleich sieben Standorte für die MUF, „um die Geflüchteten“, so der Tagesspiegel, „gleich mit anderer Wohnbevölkerung zusammen unterzubringen“. Der Bezirk wolle einen „wesentlichen Beitrag“ zum gesamtstädtischen Bedarf leisten. Das kann er tun, wenn die nächsten 25 Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge gebaut werden. Lange wird das sicherlich nicht mehr dauern.