© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Bedingungslos solidarisch
Sozialpolitik: Die Große Koalition debattiert über die Zukunft der Hartz-IV-Leistungen / Die SPD ist uneinig beim Thema Grundeinkommen
Christian Schreiber

Nach den Äußerungen des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), Hartz IV bedeute „nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut“, ist innerhalb der Großen Koalition eine lebhafte Diskussion entbrannt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sich beispielsweise offen für Gespräche über eine Abschaffung der Sozialhilfe und die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens geäußert. „Das ist eine notwendige Debatte, die wir führen werden“, sagte der SPD-Politiker der Bild-Zeitung: „Ich setze dabei auf konkrete und machbare Lösungen, die der Lebensrealität der Menschen entsprechen.“  

Die Bundesregierung hatte angekündigt, möglichst viele Hartz-IV-Empfänger in den regulären Arbeitsmarkt zurückführen zu wollen. Arbeitsminister Heil erklärte, daß dies „Voraussetzung für ein freies und selbstbestimmtes Leben“ sei. Im Fokus stehen vor allem die 857.000 Langzeitarbeitslosen, die länger als zwölf Monate ohne Job sind.

Eine SPD-interne Debatte hatte der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, angestoßen. Er forderte gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit ein „solidarisches Grundeinkommen“ von 1.200 Euro im Monat für Langzeitarbeitslose, die dafür im kommunalen Bereich beschäftigt werden sollen. „Wir brauchen eine Alternative zu Hartz IV“, forderte dann auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner gegenüber dem Spiegel. „Das aktuelle System befördert Abstiegsängste, viele Empfänger fühlen sich abgeschrieben, zu wenige schaffen den Übergang in normale Arbeit.“ Die Sozialleistung für Langzeitarbeitslose decke zwar den Grundbedarf, bedeute aber dennoch Armut: „In einer reichen Gesellschaft wie unserer sollte so etwas nicht sein.“

Widerstand gegen „staatlich finanzierte Arbeitsplätze“

Widerspruch kam allerdings auch aus den eigenen Reihen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wandte sich in einem Gespräch mit der Funke-Mediengruppe gegen Neuerungen: „Es geht um die Ausgestaltung des sozialen Arbeitsmarktes.“ Müller und Stegner würden das Prinzip des Förderns und Forderns auch nicht in Frage stellen, sagte Scholz und forderte: „Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die über lange Zeit arbeitslos sind, muß sich deutlich verringern.“

Der CDU-Sozialexperte Peter Weiß warnte dagegen im Inforadio des RBB vor einem neuen staatlich geförderten Dumping-Lohn-Sektor. Ziel müsse es vielmehr sein, Langzeitarbeitslose und junge Menschen mit gezielten Maßnahmen aus Hartz IV herauszuholen: „Herr Müller denkt natürlich vor allen Dingen an den Haushalt seines eigenen Stadtstaates Berlin. Das ist ja okay, aber es ist nicht unsere Aufgabe, Kommunen zu sponsern.“ Allerdings signalisierten auch Unions-Politiker Gesprächsbereitschaft: „Hartz IV müssen wir besser machen. Es schafft momentan nicht, die Menschen, die lange arbeitslos sind, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Das hat ganz spezifische Gründe, und die müssen wir endlich angehen, und das tun wir derzeit nicht“, meinte der Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker im Deutschlandfunk.

Auf strikte Ablehnung stießen die SPD-Pläne unterdessen im Arbeitgeberlager: „Es kann kaum im Interesse eines staatlichen Arbeitsmarktprogramms liegen, einen Verdrängungswettbewerb in Gang zu setzen, der Arbeitsplätze gefährdet“, warnte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Genau dies drohe aber, falls damit „zu 100 Prozent staatlich finanzierte Arbeitsplätze“ eingerichtet würden. „Eine staatliche Unterstützung von Jobs darf keinesfalls dazu führen, daß im Wettbewerb stehende und vergleichbare Dienstleistungen anbietende Unternehmen und Handwerksbetriebe verdrängt werden“, sagte er der FAZ.