© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Unter Hofschranzen
Paul Rosen

Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gehört zu den Behörden, mit denen Normalbürger selten bis gar nicht in Kontakt kommen, obwohl sein Chef, Regierungssprecher Steffen Seibert, über die Fernsehbildschirme in den Wohnzimmern omnipräsent ist. Dem Kanzleramt unterstellt, hat das Amt zwei wesentliche Aufgaben: Information von Journalisten und  Öffentlichkeit über das Regierungshandeln und Information der Kanzlerin, der Minister und der Ministerien über die Nachrichtenlage.

Der Ruf des Bundespresseamtes war zu Bonner Zeiten stets schlecht, woran selbst prominente Namen unter den Regierungssprechern wie Klaus Bölling (kam vom Spiegel) oder Peter Boenisch (von Springer) nichts änderten. Stets hieß es, die Regierungssprecher seien schlecht informiert. Zu Zeiten von Sprecher Hans Klein, einem CSU-Abgeordneten, hieß es, die Hälfte der Mitarbeiter des Bundespresseamtes könne man getrost feuern – egal welche Hälfte. Das Bonmot behielt seine Gültigkeit unter Helmut Kohls Regierungssprechern Peter Hausmann, Friedrich Bohl und Otto Hauser. Geheimer Sprecher der Regierung war damals Andreas Fritzenkötter, Kohls rechte Hand im Kanzleramt. Was immer auch Kohl plante, das Presseamt erfuhr es zuletzt. 

Das änderte sich mit der rot-grünen Koalition und Gerhard Schröders Regierungssprechern Uwe-Karsten Heye (früher TV-Journalist) und Béla Anda (kam von Bild): Jetzt bestand Öffentlichkeitsarbeit zunehmend darin, Themen zu setzen, Legenden zu stricken und bei Bedarf auch Scheinwelten zu konstruieren. 

Als Angela Merkel Kanzlerin wurde, holte sie Ulrich Wilhelm, einst Sprecher von Edmund Stoiber (CSU) in das Presseamt. Der verfeinerte Andas Methoden: Stets lächelnd und freundlich zu allen, war Wilhelm für sein Wortgeklingel berüchtigt. Bei näherem Hinhören entpuppten sich viele Kommentare als heiße Luft, wie sie regelmäßig auch Wilhelms Nachfolger Seibert produziert. Wichtiger als Fragen bei Pressekonferenzen zu beantworten ist jedoch längst das sogenannte Agenda-Setting. Auftritte der Kanzlerin und Interviews werden plaziert, bis ins Detail geplant, um Merkel gut dastehen zu lassen. 

Eine Personalie der jüngsten Zeit ließ aufhorchen. Seibert bekommt eine neue Stellvertreterin, da Georg Streiter (früher beim Express) aufhört. Martina Fietz, einst bei der Welt und zuletzt bei Focus Online, wird Vizesprecherin. Das sei sie doch längst, heißt es im Berliner Spott über Glorifizierungen der CDU-Politik durch die Journalistin. So schrieb sie über die Berufung der neuen CDU-Generalsekretärin: „Annegret Kramp-Karrenbauer erlöst die CDU und stabilisiert Angela Merkel.“ Bei so viel Sendungsbewußtsein droht der Bezug zur Realität auf der Strecke zu bleiben, wie das auch schon bei Seibert beobachtet werden konnte. Er hatte Merkel zum Beschluß der Essener Tafel, keine Ausländer mehr zu beköstigen, zur Kritik gegen „solche Kategorisierungen“ animiert und damit die Stimmung im Volk völlig falsch eingeschätzt. 

Offenbar zieht das Amt immer mehr Kopfnicker und Hofschranzen an, die Merkel durch das Errichten Potemkischer Dörfer gefallen wollen.