© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

„Wir bewegen uns in Richtung staatlicher Zensur“
Internetsperren: Geht es nach der EU, können ab 2020 Behörden einzelne Webseiten abschalten
Tobias Dahlbrügge

Nach dem umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz dreht sich die Zensurspirale weiter: Die EU erlaubt ab 2020 die Sperrung einzelner Webseiten. Instrument ist die „CPC-Verordnung“ (Consumer Protection Cooperation), angeblich ein Regelwerk für den „Verbraucherschutz“. 

Um die Verbraucher vor dem „Risiko einer schwerwiegenden Schädigung ihrer Kollektivinteressen“ zu schützen, sind dann staatliche Behörden berechtigt, Internetseiten abzuschalten. Ein Gerichtsbeschluß ist nicht nötig. Ermächtigt dazu werden Ämter wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, das Luftfahrt- oder das Eisenbahn-Bundesamt. Deren Beamte dürfen dann entscheiden, welche Internetangebote die „Kollektivinteressen“ verletzen, was immer das heißen mag. 

Auf Anfrage des FDP-Parlamentariers Manuel Höferlin gab die Bundesregierung zu, damit „ein neues Eingriffsmittel“ zur Verfügung zu haben. Allerdings betonte das Bundesjustizministerium, daß Seitensperrungen nur als „schärfste Sanktion“ verhängt würden. Als mildere Maßnahmen seien zum Beispiel auch „Warnhinweise für Verbraucher“ geeignet.

Wer „die Verbraucher“ sind, wovor  sie geschützt werden müssen und wieso völlig fachfremde Behörden den Stecker von Internetseiten ziehen dürfen, blieb unbeantwortet. IT-Rechtler kritisieren die brisante EU-Bestimmung scharf. Der Vergleich mit „chinesischen Verhältnissen“ macht im Netz die Runde. Für Höferlin sind die Pläne „absurd“. Mit der EU-Verordnung „bewegen wir uns weiter in Richtung staatlicher Zensur.“ Vorerst zielt der Ansatz nur auf Online-Shops. Eine Garantie, daß bis 2020 aber nicht noch weitere „Gefahren“ für den Verbraucherschutz ausgemacht werden, ist das freilich nicht. 

Das Vorhaben erinnert an ein Gesetz der früheren Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Sperrung kinderpornographischer Internetseiten. Dieses wurde 2011 nach heftigen Protesten wieder aufgehoben.