© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/18 / 13. April 2018

Die Eiszeit ist endlich zu Ende
WerteUnion: Die Konservativen in der CDU kommen aus der parteiinternen Schmuddelecke / Politisches Tauwetter
Lukas Steinwandter

Bilderbuchwetter, erste zarte Blüten sprießen im beschaulichen nordbadischen Schwetzingen. Das mondäne „Palais Hirsch“ als Tagungsort, im Hintergrund das malerische Schloß – Hollywood hätte kaum eine bessere Kulisse für die jährliche Bundesversammlung der WerteUnion am vergangenen Wochenende erfinden können. Kündigt sich innerhalb der CDU nach langen Jahren der Ausgrenzung ein politischer Frühling für Konservative an? 

Fast exakt vor einem Jahr hatte man sich am selben Ort als freiheitlich-konservatives Netzwerk innerhalb der CDU/CSU aus verschiedenen Unions-Mitgliederinitiativen aus ganz Deutschland gegründet – und war damit auf ein großes Medienecho gestoßen. Ein Jahr später existieren inzwischen bundesweit 15 Landesverbände. 

Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Manuel Hagel ist als Gastredner zum Treffen gekommen. Bezeichnend: Die Gründung des Netzwerks vor einem Jahr hatte er noch kritisiert. Auch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Gregor Golland, ist im „Palais Hirsch“ mit von der Partie. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schickte ein Grußwort nach Schwetzingen, in dem er die WerteUnion „notwendig“ nennt. Horst Seehofer unterstrich in einem Interview, er halte es für gut und richtig, daß es einen solchen organisierten konservativen Flügel gebe. Sogar die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer lädt die Konservativen inzwischen zur Mitarbeit am neuen Grundsatzprogramm ein.

Gerüstet für inhaltliche Auseinandersetzung 

Töne, die noch vor wenigen Jahren vollkommen anders geklungen haben. „Wer hier nicht für Angela Merkel ist, ist ein Arschloch und kann gehen“, hatte Kramp-Karrenbauers Amtsvorgänger Peter Tauber damals noch verkündet. Und dessen Vorgänger Hermann Gröhe hatte Konservativen noch mit Konsequenzen gedroht, falls sie sich organisieren wollten. 

Der Bundesvorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch, nimmt die Einladung der Parteiführung daher auch mit einer gewissen Genugtuung an. „Wir haben Annegret Kramp-Karrenbauer schon vor unserer Bundesversammlung angeschrieben und unsere Dialogbereitschaft signalisiert. Wir werden unsere Positionen in das neu zu beschließende Grundsatzprogramm der CDU mit einbringen“, kündigte Mitsch gegenüber der JUNGEN FREIHEIT an. 

Mit ihrem auf der Bundesversammlung beschlossenen „Konservativen Manifest“ sehen sich die Spitzen der Organisation, die über keinen offiziellen Status als Vereinigung innerhalb der Mutterpartei verfügt, dennoch für die inhaltliche Auseinandersetzung gerüstet. 

Unter dem Motto „Zukunft gestalten – Werte erhalten“ fordert das Manifest einen „gesunden, weltoffenen Patriotismus“, der sich bewußt von nationalistischen Parolen abhebt und sich zu Heimat und Traditionen bekennt. „Wir stehen ein für Freiheit, Sicherheit, Demokratie, Marktwirtschaft, Menschenrechte sowie das christliche Menschenbild, bekennen uns zu unserer westlichen Wertegemeinschaft und treten Aggressoren und totalitären Ideologien“, ob von rechts, links oder religiös motiviert, entschieden entgegen, heißt es in dem Papier. Für Polizei und Justiz müßten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein härteres Vorgehen gegen Straftäter ermöglichen. Opferschutz stehe zudem ausnahmslos vor Täterschutz. 

Eine ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland und ins deutsche Sozialsystem lehnt die WerteUnion ebenso ab wie die doppelte Staatsbürgerschaft; die Wiedereinführung der Wehrpflicht soll geprüft werden. Darüber hinaus wollen die Unionskonservativen das „Abwälzen aktueller Probleme auf zukünftige Generationen durch immer neue staatliche Ausgabenprogramme im Sozialbereich stoppen“ und sprechen sich für „Schuldenabbau, Entlastung der arbeitenden Bevölkerung von steuerlichen und sozialen Abgaben“ sowie „eine spürbare finanzielle Entlastung von Familien mit Kindern“ aus. Leitbild bleibe dabei die soziale Marktwirtschaft „im Sinne Ludwig Erhards.“

Die Maastrichter Stabilitätskriterien sollen eingehalten werden, eine Vergemeinschaftung der Staats- und Bankenschulden lehne man ebenso ab wie einen EU-Zentralstaat, an dessen Stelle die Konservativen lieber einen föderal strukturierten europäischen Staatenbund sehen möchten.Die sogenannte Energiewende solle beendet, stattdessen eine „sichere, international wettbewerbsfähige Energieversorgung auf marktwirtschaftlicher und unideologischer Basis“ angestrebt werden. Ehe und Familie seien für die WerteUnion „wichtigste Grundlagen unserer Gesellschaft“, das Leitbild Vater, Mutter, Kinder „elementarer Grundpfeiler.“ Eine staatliche Förderung der „ideologisch motivierten Genderforschung“ müsse eingestellt werden. 

Zukünftig werde die CDU den zuletzt enorm vernachlässigten konservativen Flügel wieder stärken müssen. Dem Einwand, die WerteUnion könne innerhalb der CDU ohnehin nichts bewirken, begegnet Alexander Mitsch mit dem Verweis auf den rasanten Zulauf, den seine Gruppierung verzeichne: „Inzwischen sind es nicht mehr nur einfache CDU- und CSU-Mitglieder, sondern auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete sowie höhere Funktionsträger der Partei, die sich bei uns engagieren.“