© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/18 / 13. April 2018

Die klare Sprache gibt den Ton an
Ungarn: Allen Unkenrufe zum Trotz hielten die Magyaren Präsident Viktor Orbán die Treue
Curd-Torsten Weick

Sehr vorausschauend titelte der Leitartikel der konservativ-liberalen österreichischen Presse einen Tag vor der ungarischen Parlamentswahl: „Langsam blättert vom System Orbán der Lack ab  ...“ Der Fidesz-Vorsitzende hätte einen anderen Wahlkampf führen können, so der Leiter der Außenpolitik des Blattes Christian Ultsch. Viktor Orbán hätte „Erfolge seiner Regierungszeit in den Vordergrund schieben können: Die ungarische Wirtschaft ist um vier Prozent gewachsen, die Arbeitslosigkeit hat sich bei vier Prozent eingependelt, die Staatsschuldenrate ist gesunken, der Lebensstandard gestiegen.“ Doch stattdessen habe es der ungarische Ministerpräsident in seinem Wahlkampf vorgezogen, „Angst zu schüren: vor muslimischen Migranten und dem Verlust der ungarischen Identität.“

Ungarische Angsthasen? Mitnichten, so der Premier nach seinem Wahlsieg am Sonntag. Es sei im Gegenteil ein großes Problem, daß der Kontinent nicht offen über seine Ängste und über die Probleme, die ihn bedrohten, sprechen könne. Ungarn sei das Land der „Mutigen“, die „ganz Europa“ klargemacht hätten, daß sie eben eine „ehrliche und klare Sprache“ bei den Problemen, die diesen Kontinent „plagen“, bevorzugten. 

„Wir haben einen schicksalshaften Sieg errungen, und damit die Chance, Ungarn zu schützen“, erklärte Ministerpräsident Orbán, der das Land seit 2010 ununterbrochen regiert. Wie nicht wenige Oppositionspolitiker hatte der 54 jährige den Urnengang zur „Schicksalswahl“ stilisiert. Doch während Fidesz den Lack auffrischte und mit knapp 49 Prozent sogar noch gegenüber der Wahl 2014 zulegen konnte, verpuffte die von der Opposition erhoffte Kehrtwende. Das Linksbündnis MSZP-Párbeszéd verlor knapp die Hälfte der Stimmen und erreichte 12,3 Prozent, die rechte Jobbik blieb mit 19,4 Prozent stärkste Oppositionskraft, die grün-alternative LMP erhielt 6,9 Pozent und die von  der MSZP abgespaltene „Demokratische Koalition“ (DK) des vormaligen sozialistischen Regierungschefs Ferenc Gyurcsány übersprang mit 5,5 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde. Erstmals seit 1933 ist die deutsche Minderheit wieder im Parlament vertreten. „Die Ungarndeutschen haben Geschichte geschrieben“, erklärte der künftige Abgeordnete Emmerich Ritter. Zum Mandat bedurfte es 22.342 Stimmen, diese Schwelle überschritt die Deutsche Liste mit 25.660 Voten. 

Noch Sonntag nacht trat Jobbik-Chef Gábor Vona zurück. Sein Ziel sei ein Regierungswechsel gewesen, erklärte der 39jährige, der die rechtsextremistische Partei programmatisch „verbürgerlicht“ hatte. Laut Budapester Zeitung sprach er von einem „Fest der Demokratie, welches die hohe Wahlbeteiligung“ von 68 Prozent gezeigt habe, und dankte allen, die den Haßtiraden von links standgehalten hätten. Auch in Zukunft werde Jobbik dafür kämpfen, die Auswanderung zu stoppen, Wohnraum zu schaffen und den „Devisenkreditnehmern Gerechtigkeit zukommen zu lassen“.

Ungarn will sich künftig mehr um Europa kümmern

Parallel zu Vona reichte der Parteivorstand der vom Wähler abgestraften Sozialisten seinen Rücktritt ein. Man  sehe sich in der „Verantwortung für die entstandene Lage“, erklärte der Vorsitzende der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP). Doch Gyula Molnár fand auch kritische Worte: Die „demokratische Opposition“ habe 17 Mandate verschenkt, da es ihr in den betreffenden Wahlkreisen nicht gelungen sei, zu kooperieren. 

Wie bereits vor vier Jahren holte Fidesz 91 von 106 Direktmandaten und kommt zusammen mit den Stimmen der Landesliste auf 134 Mandate im Parlament, das über insgesamt 199 Sitze verfügt – das entspricht somit erneut einer Zweidrittelmehrheit. 

Sichtlich erfreut darüber lobte Orbán die Wähler. Sie hätten Entscheidungen in mehreren wichtigen Punkten gefällt und vor allem dafür gesorgt, daß „Ungarn weiterhin ein ungarisches Land“ bleibe. Nun sei Ungarn bereit, sich „voll und ganz auf gemeinsame europäische Aufgaben einzulassen“, erklärte der Fidesz-Vorsitzende. „Wir sind nicht gegen Europa und die EU, sondern wir wollen Europa, wir wollen die EU, und wir wollen eine erfolgreiche und starke Europäische Union“.

In diesem Kontext hatte die Orbán-Regierung am 15. Februar angekündigt, daß sie die geplante Änderung der Dublin-Verordnung nicht mittragen werde. Die einzige Alternative zur Quotenpolitik sei ein stringenter Schutz der EU-Außengrenzen und eine strenge Ausweisungspolitik.