© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/18 / 13. April 2018

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Wenige Wochen nach den feuilletonistischen Gedenkstrecken an Botho Strauß’ legendären Essay „Anschwellender Bocksgesang“ (JF 6/18) vor fünfundzwanzig Jahren, der damals eine ganze Kohorte jüngerer Konservativer elektrisierte, ist nun sein neues Buch erschienen. Prompt fragt Tilman Krause in der Literarischen Welt, was sie damit anfangen sollen. „Von einem Konservativen, schon gar von einem Rechten erwartet man, daß er klare Kante zeigt“, schreibt er. Alle bedeutenden Konservativen in Politik und Literatur seien Bekenner gewesen, und bei ihrem Schreiben verfügten sie über „den Willen zur großen Form“. Das alles fehle bei Botho Strauß, moniert der Literaturkritiker. Das ist insofern merkwürdig, als Krause sehr genau weiß, daß Strauß noch nie politische Gebrauchsbücher geschrieben hat. Zwei Absätze weiter in seinem ellenlangen Beitrag weist er selbst darauf hin, daß der Dichter in seinem vierzig Jahre umspannenden Werk „immer nur Randglossen, kassiberhaft verschlüsselte Botschaften aus dem Abseits“ vorgelegt habe. Krause trägt also Eulen nach Athen, wenn er anmerkt, daß von Botho Strauß keine politische Bewegung mehr ausgehe und die Rechten ihn „nicht brauchen können“.


„Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.“ (Martin Luther King, US-amerikanischer Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler, ermordet am 4. April 1968)


Botho Strauß’ neues Opus trägt den Titel „Der Fortführer“ (Rowohlt). Es enthält allerlei Miniaturen, Alltagsbeobachtungen, Aphorismen und Assoziationen. Eine Selbstauskunft dezidiert in Ich-Form lautet: „Unverzagt sprach ich mein Lebtag zu lauter Abgewandten. Man kann aber nicht, ohne sich vor seinem Schicksal lächerlich zu machen, hartnäckig und ohne Widerhall in anderer Leute unwendbaren Rücken reden. Man schweigt also besser. Das Verwerfliche daran ist nur: Man hofft insgeheim, daß gerade dieses Schweigen mehr auffällt als die Worte, die man machte; daß es an irgendeinem Rücken ziehe und zehre, worauf einer vielleicht doch meint sich umdrehen zu sollen, um nachzusehen, welche Ruhe ihn da kitzelt. So hofft man unwürdig auf den beunruhigenden Effekt der Stille, die man verbreitet.“ Bei aller Rätselhaftigkeit, die vielen seiner Notate auch in diesem Buch wieder zuhauf innewohnt: Der große Weltabgewandte aus der Uckermark wirkt auf seine ureigenste Weise noch immer und ist alles andere als „ein Rechter von gestern“, wie Tilman Krause meint.