© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Das UKW-Radio kämpft ums Überleben
Nach dem Verkauf des Antennennetzes an mehrere Firmen droht zahlreichen Sendern das Aus
Ronald Berthold

Rund 93 Prozent der Deutschen hören Radio über UKW. Doch der guten alten Ultrakurzwelle droht in vielen Landesteilen der Tod. Eine letzte lebensverlängernde Maßnahme läuft Ende Juni aus. Wenn sich die zahlreichen an der Übertragung beteiligten Parteien nicht einigen, wird es danach statt Musik und Nachrichten auf zahlreichen Frequenzen ziemlich still.

Als Alternative blieben dann die digitalen Übertragungswege via DAB+ oder Internet. Doch nur 16 Prozent der Menschen besitzen laut Landesmedienanstalten ein solches Radio, und nur jeder zehnte verfüge über einen internetfähigen Empfänger. Ein Krisentreffen mit dem früheren Antennenbesitzer Media Broadcast hat nun den letzten Aufschub erbracht. „Wir werden definitiv am 30. Juni das Übergangsangebot beenden. Alle Beteiligten haben bis dahin genügend Zeit, Lösungen zu finden“, sagte Unternehmenschef Wolfgang Breuer der Welt. Im Klartext: Danach wird abgeschaltet, falls es keine Lösung gibt.

Privaten Anbietern drohen finanzielle Einbußen

Beim Streit über UKW geht es ausschließlich ums Geld und um ein kompliziertes Firmengeflecht, an dessen Ende die Radiosender stehen. Media Broadcast gehörte einst der Telekom, die es an Freenet verkaufte. Dieses Tochterunternehmen hat sich bereits zum Jahresende aus dem UKW-Geschäft verabschiedet, die Verträge mit seinen Kunden zum 31. März gekündigt und seine Antennen an 30 Einzelunternehmen, darunter Finanzinvestoren, verkauft. Das Geschäft mit den Antennen lief wegen eines staatlich regulierten Preises für Media Broadcast nicht rentabel. 

Nun setzte sich eine für die Ultrakurzwellenübertragung fatale Maschinerie in Gang: Die neuen Besitzer fühlten sich an die festgelegte Maximalgebühr nicht mehr gebunden, weil diese mit der Monopolstellung von Media Broadcast begründet war. Mit dieser Obergrenze wäre das Geschäft auch nicht zustande gekommen. Denn die neuen Besitzer versprechen sich Einnahmen – und drehen dafür an der Preisschraube. Ergebnis: Statt eines Antennenbesitzers gibt es 30, was Verhandlungen erschwert. Denn den Sendernetzbetreibern, die die Programme der Anstalten an die Antennen übermitteln, waren die neuen Preise zu hoch, warum man sich nicht abschließend über die Miet- und Nutzungskonditionen der Antennen einigen konnte. Ein Blackout vieler Radiostationen drohte vergangene Woche, der nur durch die Übergangslösung bis Ende Juni abgewendet werden konnte. Zwei Sendernetzbetreiber, Uplink und Divicon, haben dafür eine vorübergehende Beauftragung an den Alt-Eigentümer Media Broacast unterzeichnet. 

Das Hauptproblem bleibt: Die Sendernetzbetreiber müssen sich noch mit den neuen Besitzern der UKW-Antennen über die Preise für deren Nutzung einigen. Und da hakt es. Sollte es bis Sommer kein Übereinkommen geben, wären die Hörfunkstationen und deren Kunden die Leidtragenden. Am gelassensten können dabei die öffentlich-rechtlichen Sender bleiben, weil ihnen zumindest kein wirtschaftlicher Schaden droht. Auch ohne UKW-Übertragung erhalten sie ihre Rundfunkgebühren unverändert weiter. Dramatisch wird es dagegen für private Stationen. Die Werbeeinnahmen, über die sie sich finanzieren, bemessen sich an der Zahl der Hörer. Und ohne die von der übergroßen Mehrheit genutzte Übertragung via UKW brechen diese ein. Damit droht zahlreichen Privatsendern das Aus.

Spötter sprechen für diesen Fall über die betroffenen Regionen bereits von „Tälern der Ahnungslosen“. So nannten DDR-Bewohner die sächsische Gegend um Dresden, weil dort kein West-Rundfunk zu empfangen war. Die neuen von UKW-Signalen ausgesperrten Gebiete wären dann Mecklenburg-Vorpommern, die MDR-Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, Teile Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens. Ohne DAB+ oder Internetradio gäbe es dort keinen Empfang mehr. Insgesamt sind rund 40 Programme bedroht. Bundesweit wäre auch das Deutschlandradio nicht mehr über UKW zu hören. Hintergrund: Die dortigen Sender und das Deutschlandradio verfügen über keine eigene Sendestruktur und haben Uplink sowie Divicon mit der Übertragung der Ultrakurzwellen beauftragt. Allerdings haben diese bei der der Auftragsübernahme zugrundeliegenden Kalkulation offenbar nicht den Wegfall der Preisobergrenze bedacht, so daß sie nun bei den von den neuen Antennenbetreibern verlangten erhöhten Tarifen selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten würden. Die Sender wiederum sehen nicht ein, diese Verluste auszugleichen und berufen sich auf die bestehenden Kontrakte, die nach einer Ausschreibung zustande gekommen waren.

Das Deutschlandradio drohte bereits damit, die Sendernetzbetreiber zu verklagen, sollten diese die UKW-Übertragung einstellen. Die bis 30. Juni tickende Uhr setzt nun alle Beteiligten unter Druck, eine Einigung zu erzielen. Ansonsten bleibt nur ein Rauschen im Tal der Ahnungslosen.