© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Zwischen Zensur und Zusammenhalt
Gegen Haß, Verleumdung, Antisemitismus: Frankreich diskutiert ein Netzwerkgesetz
Jürgen Liminski

Die französische Regierung denkt über eine Regulierung der sozialen Netzwerke nach. Das Vorhaben für ein Netzgesetz ist ein Déjà-vu. Es ähnelt dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz und dürfte gerade wegen der Polarisierung zwischen Freiheitsdrang und Regulierungswut noch manche Debatte auslösen. 

Der erste Entwurf stammt noch aus der Ära Hollande. Macrons Vorgänger hatte die amerikanischen Internetfirmen gewarnt und angesichts der Vergeblichkeit der Mahnungen den Entwurf ausarbeiten lassen. Google, Facebook und Co. kümmern sich wenig um das, was die Europäer denken, reden und schreiben. Hauptsache sie klicken, liken und zahlen. 

Mit den höher schlagenden Wellen der Emotionen durch wachsenden Antisemitismus und Terrorismus – angetrieben und verübt durch Islamisten – sowie allgemein durch die Ächtung Andersdenkender, ist der Regierung Philippe/Macron die Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung durch die Netzwerke bewußt geworden. Bis Ende des Jahres soll das neue Gesetz in Kraft treten. Plattformbetreiber sollen zur Löschung von strafbaren Inhalten verpflichtet werden können. Als solche aufgeführt werden Beleidigung, Verleumdung, der Aufruf zu Gewalt und Holocaustleugnung. Ein Katalog für Strafgelder soll aufgestellt und eine staatliche Meldestelle für Haßrede im Netz eingerichtet werden. 

In keinem anderen Land Europas werden so viele Anfragen an Facebook gestellt, Einträge zu löschen, und kein anderes Land hat wegen kinderpornographischer und terroristischer Inhalte den Zugriff auf so viele Webseiten unterbunden. Das Gesetz ist noch nicht ausgereift. Paris sieht die Notwendigkeit, es auf europäischer Ebene zu gestalten, weshalb man über den Schnellschuß in Deutschland auch nicht glücklich ist.

Im Moment allerdings hat die Regierung andere Sorgen: Streiks, Kaufkraftminderung durch indirekte Steuererhöhungen und neue Regulierungen aller Art. Da kann das neue Gesetz schnell als Zensur verstanden werden – eine Gratwanderung, von der man noch nicht weiß, wo sie endet: in mehr Zusammenhalt oder mehr Zensur.