© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Im Taumel von „Refugees welcome“
Matthias Matusseks scharfe Analyse über bundesdeutsche „Qualitätsmedien“ im Zeitalter der Massenmigration
Ludwig Witzani

In dem Hollywoodfilm „Matrix“ gibt es eine Szene, in der Keanu Reeves als Neo seinen Gefährten fragt: „Kennst du das Gefühl, wenn du nicht weißt, ob du wach bist oder noch träumst?“ Mit diesem Zitat beschreibt Matthias Matussek seine Empfindungen, als Deutschland ab 2015 begann, sich schlagartig zu verändern. Die muslimische Massenzuwanderung, die Hysterisierung der öffentlichen Moral und die Stigmatisierung der migrationskritischen Opposition kamen ihm vor wie ein Alptraum. Doch es war die Wirklichkeit. 

Der gesunde Menschenverstand hatte abgedankt, die Epoche des „mehrheitsfähigen Irreseins“ war angebrochen. Und suchte sich seine Opfer. Nicht zuletzt den Star-Journalisten Matussek selbst, der am 17. November 2015, nur wenige Wochen nach dem Beginn der Grenzöffnung, wegen eines kritischen Tweets zu einem islamistischen Terroranschlag vom Springer-Verlag spektakulär gefeuert wurde.  

Kaum jemand war überraschter über diesen Rausschmiß als der Autor selbst, und das vorliegende Grundgefühl des ungläubigen Staunens ist sogar in dem vorliegenden Buch noch spürbar. „White Rabbit oder Der Abschied vom gesunden Menschenverstand“ ist der Versuch, dieses Staunen hinter sich zu lassen und sich der außer Rand und Band geratenen Wirklichkeit mit dem gesunden Menschenverstand zu nähern. Fast fühlt man sich an die Verfremdungen in Montesquieus „Persischen Briefen“ oder die Betrachtungen des Südseehäuptlings Papalagi erinnert, wenn sich  Matussek nüchtern und ohne Willkommenseuphorie die Fernsehauftritte der Kanzlerin, die moralische Selbstüber-höhung der Schicki-Micki-Gesellschaft oder die Teddybärenwerfer der „Schneeflöckchengeneration“ vornimmt. Über all das Kuriose und das Durchgeknallte, dem der Autor die Welterlösungstünche entzieht, könnte man erschrecken, wenn es Matussek nicht gelingen würde, die Phänomene zugleich auch in ihrer Lächerlichkeit zu dekuvrieren. 

So geht es dem Leser wie dem Autor – er staunt, ist empört und verwundert und weiß an vielen Stellen nicht, ob er lachen oder weinen soll – über die studentische Linke, die „infantilisiert, verkümmert, total verblödet“ ist, über die Verlogenheit der Kirchen, „wenn sie Demonstranten das Licht abstellen – und nebenbei verschweigen, wie gut sie verdienen an der Flüchtlingskrise“ oder über den Islam, „gegenwärtig die wohl fremdenfeindlichste Ideologie auf unserer Erde“. Matusseks Befund ist eindeutig: Im Septembererlebnis von 2015, das er mit der Augusthysterie von 1914 vergleicht, „hat der deutsche Totalitarismus eine Achsendrehung ‘ins Gute’ genommen.“   

Das ist pointiert und nachvollziehbar formuliert, ist aber im Kontext des vorliegenden Buches trotzdem nur Beiwerk. Matusseks Hauptanliegen ist eine Kritik des deutschen Journalismus, der in den fraglichen Jahren seit 2014 ein geradezu unterirdisches Bild abgegeben hat. Aus der Vielzahl der journalistischen Verfallserscheinungen, die Matussek zur Sprache bringt, sei nur auf einige Aspekte verwiesen. 

Fragen der Migration waren immer schon heikel gewesen, schreibt Matussek, aber plötzlich war es überhaupt nicht mehr möglich, über die Probleme der Masseneinwanderung und die Gefahren der Islamisierung offen zu diskutieren. Diese Beobachtung ist nicht neu, wohl aber der Hinweis auf die Tradition, in der diese Entwicklung steht. Denn, so Matussek, bei der Verabschiedung der UN-Menschenrechtscharta im Jahre 1948 waren es die „sowjetischen Delegierten, die darauf bestanden, daß eine besondere Klausel einzufügen sei, die intolerante Meinungen verbieten sollte“. Die Journalisten, die auf der Frankfurter und Leipziger Buchmesse „rechten“ Verlagen die freie Meinungsäußerung verbieten wollen, befinden sich also in bester stalinistischer Gesellschaft. 

Gegenüber solchen Exzessen linker Intoleranz wäre es die Aufgabe der  „Qualitätszeitungen“ gewesen, die Maßstäbe wieder zurechtzurücken. Aber diese „Qualität“ gehört nach Matusseks Meinung der Vergangenheit an. Am Beispiel der Welt beschreibt er den Aufstieg von „Heldentenören“, die schamlos und beflissen das Hohelied der Regierung singen – prototypisch verkörpert durch Ulf „Dr. Pop“ Poschardt, ein „journalistisches Leichtgewicht“, das nach einer holprigen Karriere zur Welt kam und dort mit Artikeln wie „Wir müssen mutiger, intelligenter und schwuler werden“ glänzte. Was Matussek dem Chefredakteur der Welt, aber auch den Blattmachern von Spiegel, Stern und anderen „Qualitätsmedien“ in besonderer Weise übel nimmt, ist ihre geistige Selbstgleichschaltung – getreu dem Motto von Gilbert K. Chesterton „Wir brauchen keine Pressezensur. Die Presse ist die Zensur.“  

Eine weitere, besonders unappetitliche Negativinnovation kommt hinzu: „Ganz eigene, durchaus kreative Echoräume haben sich da aufgetan für diejenigen, die Flüchtlingspropaganda auf Staatslinie betrieben und jederzeit für Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bereitstehen“, notiert Matussek. Eine Sykophantenszene ist entstanden, deren Geschäftsmodell darin besteht, zum eigenen Nutzen Kollegen zu denunzieren und ihrer wirtschaftlichen Existenz zu berauben. Wer die Perfidität kennt, mit der Jung-Autoren wie Liane Bednarz und Christoph Giesa vermeintlich „rechte“ Journalisten wie Matussek, Michael Klonovsky, Birgit Kelle und andere kampagnenartig verfolgen, wird dem Autor an dieser Stelle uneingeschränkt recht geben müssen.  

„Linker Theorie-Tinnef“ wird seine Hegemonie verlieren

Man sieht, journalistische Alphatiere in den Mainstreammedien bekommen ebenso ihr Fett weg wie die Denunzianten, die an die Tröge des Literaturbetriebes drängen. Konsequent verweigert Matussek den „Kampf gegen Rechts-Kotau“ und die Anprobe irgendwelcher Scheuklappen. In dem vorliegenden  Buch diskutiert er mit Winfried Kretschmann und Martin Schulz ebenso wie mit AfD-Mitgliedern und dem identitären Autor Martin Lichtmesz. „White Rabbit oder Der Abschied vom gesunden Menschenverstand“ dokumentiert eine weltanschauliche Offenheit zwischen Titanic und Tumult, Spiegel und JUNGE FREIHEIT, für die der Autor wahrscheinlich ein Alleinstellungsmerkmal beanspruchen kann.  

Auch an Matusseks Prognose über den weiteren Gang der Dinge werden die Kollegen von der Mainstreampresse wenig Freude haben. „Ich glaube, der Wind hat sich gedreht“, resümiert Matussek am Ende des Buches. Der „linke Theorie-Tinnef“ wird über kurz oder lang seine kulturelle Hegemonie verlieren und endlich den Weg für offene gesellschaftliche Debatten frei machen. Das vorliegende Buch leistet zweifellos einen Beitrag in diese Richtung. Oder, um zu Neo aus dem Film „Matrix“ zurückzukehren, es ist ein weiterer Augenöffner, der dazu beiträgt, den Alptraum zu beenden.

Matthias Matussek: White Rabbit oder Der Abschied vom gesunden Menschenverstand. FinanzbuchVerlag, München 2018, gebunden, 23 Seiten, 22,99 Euro