© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Frisch gepresst

Helgoland I. Der am Londoner Birkbeck College lehrende Historiker Jan Rüger ist Fachmann für die deutsch-englische Geschichte des 1914 endenden „langen“ 19. Jahrhunderts. Mit „The Great Naval Game“ zeigte er sich 2007 der „klassischen“ Geschichtsschreibung verpflichtet, die auf die Politik der „Großen Mächte“ (Ranke) fixiert ist. Mit seinem Helgoland gewidmeten Werk wendet er sich hingegen der „Mikrogeschichte“ zu, die das Große im Kleinen entdecken will. Eine bessere Wahl hätte er kaum treffen können. Denn die Nordseeinsel, von 1807 bis 1890 die kleinste aller britischen Kolonien und auf dem Schnittpunkt zwischen Empire und dem Kontinent gelegen, eignet sich vorzüglich, nicht nur um den deutsch-englischen „Kampf um die Nordsee“, sondern auch Weltpolitik im Zeitalter des Imperialismus zu spiegeln. Dazu hat Rüger ausgeschöpft, was die Aktenüberlieferung in „lokalen, regionalen, nationalen und imperialen Archiven“ ihm zwischen London und Adelaide bot. Entstanden ist, was der Autor sich selbst zum Ziel setzte: das hervorragende Muster einer „überzeugenden Mikrogeschichtsschreibung“. (ob)

Jan Rüger: Helgoland. Deutschland, England und ein Felsen in der Nordsee, Propyläen Verlag, Berlin 2017, gebunden, 519 Seiten, Abbildungen, 28 Euro





Helgoland II. Eine Kulturgeschichte über Helgoland auf 670 großformatigen Seiten? Bieten die Annalen eines winzigen Eilands, das nie mehr als 3.000 Einwohner zählte, wirklich so viel kulturell Relevantes? Eckhard Wallmann, der von 1989 bis 2003 als Pastor auf Helgoland tätig war, hat die Frage der Relevanz einfach ignoriert und mit staunenswertem Eifer gesammelt, was ihm für ein kulturhistorisches Kaleidoskop verwendbar schien. Das waren in erster Linie die Zeugnisse mehr oder minder berühmter Inselgäste, von Heinrich Heine bis Ernst Jünger, so daß den Leser hier eher eine literarische Anthologie von Reiseerlebnissen erwartet. Für die Zeit nach 1945 schließt sich ein knappes Protokoll über Helgolandbesuche und Veranstaltungen an. Hier kann dann Pastor Wallmann der politischen Versuchung nicht widerstehen, moralisch befeuert auszuteilen, etwa gegen Großadmiral Karl Dönitz, der im Mai 1976 begeistert empfangener Gast des Marinebunds war. Dem Verlag gebührt ein großes Lob für die phantastische illustrative Ausstattung des Bandes. (ob)

Eckhard Wallmann: Helgoland. Eine deutsche Kulturgeschichte. Verlag Koehler, Hamburg 2017, gebunden, 672 Seiten, Abbildungen, 29,95 Euro