© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Begründete Zweifel
Bundestag: Die Vergangenheit eines AfD-Mitarbeiters sorgt für Aufregung
Christian Vollradt

Der Fall wirbelte dieser Tage ordentlich Staub auf im Hohen Haus: „Terrorverdächtiger arbeitet für AfD-Bundestagsabgeordneten“ titelte Zeit Online Donnerstag vergangener Woche. Gemeint ist ein Offizier der Bundeswehr, der für den hessischen AfD-Abgeordneten Jan Nolte, Mitglied im Verteidigungsausschuß, arbeitet. So weit, so normal. Doch die Journalisten waren in den Besitz einer E-Mail gelangt, aus der hervorgeht, daß es sich bei dem Betreffenden um Maximilian T. handelt, gegen den die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Fall des Oberleutnants Franco A. ermittelt, der sich als syrischer Asylbewerber ausgegeben, eine Waffe versteckt und Munition gehortet haben soll. T. wird vorgeworfen, er sei ein Komplize von Franco A. und habe zusammen mit einem weiteren Beschuldigten ein „rechtsextremes Terrortrio“ gebildet. 

Keine Erkenntnisse über rechtsextremes Netzwerk

Für die Linkspartei-Abgeordnete Christine Buchholz war damit klar: „Die AfD ist inzwischen eng verwoben mit der extremen Rechten. Das ist die Wahrheit“, tat sie im Plenum während einer hitzigen Debatte kund. Laut Jan Nolte von der AfD, dem diese Anwürfe konkret gelten, stellt sich der Fall allerdings anders dar. T. unterstütze ihn tatsächlich bei seiner Arbeit im Wahlkreisbüro. „Die Arbeitszeit beträgt sieben Stunden die Woche“, so Nolte, die Nebentätigkeit wurde T. von seinem Dienstherrn, der Bundeswehr, genehmigt.

Zutreffend ist auch, daß im November vergangenen Jahres das für die Sicherheit zuständige Referat ZR 3 dem Abgeordnetenmitarbeiter T. die Ausstellung eines Hausausweises für den Bundestag „wegen begründeter Zweifel an der Zuverlässigkeit der antragstellenden Person“ verweigert hatte. Letztlich ist der verwehrte Bundestagsausweis eine Formalie. Die Bundestagspolizei hat gar nicht anders handeln können, denn sie ist auf die Einschätzung anderer Behörden angewiesen. Will sagen: Ob T. wirklich ein Sicherheitsrisiko darstellt, prüfen die Beamten im Bundestag nicht selbst. Solange er im Informationssystem als einer Straftat Beschuldigter geführt wird, bleiben die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit – unabhängig vom Einzelfall. 

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß T. bei der Bundeswehr wieder tätig sein darf und längst nicht mehr vom Dienst suspendiert ist. Und Nolte stellt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT klar, daß T. für ihn „nicht in sensiblen Bereichen arbeitet“. Alles was über die niedrigste Geheimhaltungseinstufung „Verschlußsache – nur für den Dienstgebrauch“ hinausgehe, bearbeite ein anderer Mitarbeiter mit einer Sicherheitsüberprüfung. 

Zwei Monate saß Oberleutnant T. im Sommer vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, davon zu Beginn mehrere Wochen in Einzelhaft. Die von seinen Anwälten in ihrer Haftbeschwerde vorgebrachten Argumente hielten die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) dann offenbar für stichhaltig: „Nach der Entscheidung des 3. Strafsenats läßt sich aus dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen der für den Erlaß eines Haftbefehls erforderliche dringende Tatverdacht für eine Beteiligung des Beschuldigten an der Tat nicht herleiten. Insbesondere ist es derzeit nicht in dem für eine Inhaftierung des Beschuldigten erforderlichen hohen Maße wahrscheinlich, daß dieser an der maßgeblichen Tathandlung, dem Beschaffen und Verwahren der Waffe durch Franco A., als Mittäter oder Gehilfe beteiligt war“, teilte der BGH am 5. Juli 2017 mit. 

Für Nolte steht fest, daß sein Mitarbeiter T. zu Unrecht konspirativer Verbindungen zu Franco A. beschuldigt wird. Aufzeichnungen T.s, die bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt wurden, würden fälschlicherweise als Anschlagsziele interpretiert. Auf tönernen Füßen steht offenbar auch die These, Maximilian T. habe Franco A. dabei gedeckt, seine Legende als vermeintlicher syrischer Flüchtling aufrechtzuerhalten. Hintergrund ist eine WhatsApp-Nachricht A.s an T. mit der Bitte, ihn wegen einer Autopanne zu entschuldigen. T. kam der Bitte nach. Allerdings nicht – wie vielfach fälschlich dargestellt – am Standort des Jägerbataillons 291 im elsässischen Illkirch, sondern während eines gemeinsamen Lehrgangs in Deutschland. In Illkirch hatten T. und A., der beim Stab beschäftigt war, unterschiedliche Vorgesetzte. 

Daß T. mit in Wien war, wo sein damaliger Kamerad A. sich eine antiquarische Pistole beschafft hatte, hat einen profanen Grund: Gemeinsam mit anderen Bundeswehrangehörigen hatten sie dort an einem Offiziersball teilgenommen. Gegen die These vom Terrortrio spricht zudem, daß nach Erkenntnissen der Ermittler T. und der dritte Beschuldigte, Mathias F., überhaupt keinen Kontakt miteinander hatten. Auch die Bundesregierung hatte Anfang März mitgeteilt, daß dem Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst bisher keine Erkenntnisse vorliegen, „die auf ein rechtsextremistisches Netzwerk innerhalb der Bundeswehr hindeuten“. Wollte der mutmaßliche Rechtsextremist A. wirklich „unter falscher Flagge“ eines syrischen Asylanten deutsche Politiker ermorden? Wie paßt das zusammen mit der Tatsache, daß er heimlich seine Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Leben im Flüchtlingsheim als Videos aufzeichnete?

Das Ermittlungsverfahren gegen T. hatte der Generalbundesanwalt bereits Anfang Dezember vergangenen Jahres abgetrennt. Prozeßbeginn? Noch unklar.