© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Macrons Bankraub
Finanzpolitik: Die französischen Reformpläne für EU und Eurozone werden für den deutschen Steuerzahler und Sparer nicht billig
Carsten Müller

Symbole sind in der Politik ein wichtiges Instrument, um Botschaften zu vermitteln. So hatte sich Angela Merkel wohl einiges dabei gedacht, als sie vorige Woche Emmanuel Macron auf der Baustelle des Berliner Stadtschlosses empfing. Die gewollte Botschaft dabei: Hier entstünde mit dem Humboldt-Forum ein weiteres europäisches Projekt. Doch man kann dies auch anders interpretieren. Denn genau auch Europa ist derzeit eine Baustelle.

Wie es dort weitergehen soll, dazu hat der französische Präsident  ganz genaue Vorstellungen. Seine Reformvorschläge reichen dabei von einer EU-Steuer für Internetkonzerne wie Google und Facebook über ein eigenes EU-Budget inklusive Finanzminister bis hin zur Vollendung der Bankenunion (JF 7/18). Dabei macht Macron großen Druck und treibt die EU-Kommission und die anderen Mitgliedsländer, allen voran Deutschland, vor sich her.

Die Verve, mit der er zu Werke geht, hat auch etwas mit der innenpolitischen Stimmung in Frankreich zu tun. Zwar nimmt er, wie zur Wahl versprochen, seine Reformprojekte in Angriff, doch es schlägt ihm zunehmender Widerstand von den französischen Gewerkschaften und Studenten entgegen. Manche malen sogar schon das Bild einer Renaissance der 68er-Revolte. Kein Wunder, daß Macron außenpolitisch punkten will.

Gemeinschaftliche Einlagensicherung?

Zumal bei entsprechenden Erfolgen er auch innenpolitisch Druck aus dem Kessel nehmen könnte. Denn letztlich geht es bei fast allen Aspekten ums Geld. Und dabei vor allem um deutsches Geld, das die Bundesregierung allein schon durch die Zusage höherer Nettozahlungen bereits avisiert hat. Dadurch könnte Macron selbst in den innerfranzösischen Konflikten finanziell bessere Kompromisse anbieten, da ja mehr Geld aus Berlin in Aussicht stünde. Die Leidtragenden wären deutsche Steuerzahler, Sparer und wohl auch Anleger.

Exemplarisch dafür steht ein eigenständiges Budget der EU-Kommission. Dessen finanzielle Ausstattung könnte einerseits durch die mögliche Internetsteuer erfolgen. Aber auch die geplante Finanztransaktionssteuer könnte Beiträge liefern. Den Rest würde die Kommission sicherlich von den einzelnen Mitgliedsländern, sprich aus deren Steuergeldern, einsammeln. Die Bürger werden hierbei mehrfach geschröpft. Denn nicht nur die entsprechenden Steuervolumen wären aufzubringen. Hinzu käme, daß die neuen Spezialsteuern von den betroffenen Firmen wohl auf deren Dienstleistungen umgelegt würden.

Das gilt auch für die angestrebte Vollendung der Bankenunion. Bereits seit 2014 wird daran gearbeitet, die Finanz­institute in der EU unter eine einheitliche Regulierung und Aufsicht zu stellen. Doch der „Heilige Gral“ der Bankenunion ist eine „gemeinschaftliche Einlagensicherung“. Dazu sollen die nationalen Sicherungssysteme vereinheitlicht und zusammengeführt werden. In der Praxis könnte dies bedeuten, daß eine insolvenz­gefährdete italienische Bank durch die Einlagensicherung deutscher Banken bzw. deutscher Bankkunden „gerettet“ werden würde. Kein Wunder, daß vor allem die genossenschaftlich organisierten Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen Sturm dagegen laufen. Denn sie sind ein deutscher Sonderweg und sehen sich auch auf europäischer Ebene nicht zuständig, hier bei Schieflagen privater Banken haften zu müssen.

Sollte es zu einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung und damit auch der Haftungsrisiken kommen, hätte dies vielfältige Folgen für Bankkunden wie auch Anleger. Für ausländische Kreditinstitute würden sich die Risikoeinschätzungen deutlich verbessern. Das dürfte dann auch die Kosten für Kapitalaufnahmen an den Finanzmärkten senken. Für deutsche Finanzinstitute würde es in die andere Richtung gehen.

Denn die potentielle Haftung deutscher Institute für von ihnen nicht zu beeinflussende Risiken dürfte sicherlich zu höheren Finanzierungskosten führen, die dann auch an die Kunden in Form von höheren Gebühren oder Kreditzinsen weitergegeben würden. Für die Banken, die börsennotiert sind, vor allem Deutsche Bank und Commerzbank, gerieten wohl auch die Bewertungen an der Börse noch mehr unter Druck. Und das in einer Phase, in der beide Institute bereits deutliche Probleme aufweisen. Die einzige Frage hier wäre nur, ob es vielleicht im Gegenzug einen Aufschlag geben würde, weil dann auch andere Banken für die deutschen Institute haften würden.

Generell könnte die vollendete Bankenunion den Aktienkursen insbesondere der südeuropäischen Banken einen zusätzlichen Schub geben. Allerdings steigt auch das Risiko, daß mit der Gewißheit eines europaweit verfügbaren Haftungskapitals die einzelne Bank wieder fahrlässiger bei ihrer Geschäftsstrategie – insbesondere Kreditangebot und Eigenhandel – wird. Dies könnte nur durch eine effektive und restriktive Aufsicht verhindert werden. Doch auch da sind Zweifel angebracht.

Offizielle Macron-Initiativen für Europa:  de.ambafrance.org/