© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Judenhaß wird salonfähig
Deutsch-Rap: Wo einst gelungene Provokation als Stilmittel galt, breitet sich heute Antisemitismus aus
Boris T. Kaiser

Deutsche Rapmusik unterschied sich lange deutlich von ihrem US-amerikanischen Pendant. In den 1990er Jahren war Hip-Hop hierzulande vorwiegend von sogenannten Blödel-Rappern wie „Fettes Brot“ und „Die Fantastischen Vier“ geprägt. Für alle, die es etwas „realer“ wollten, gab es Rapcrews wie „Advanced Chemistry“ aus Heidelberg oder die Hamburger „Beginner“ (damals noch „Absolute Beginner“). Anders als in den Vereinigten Staaten rappten bei uns keine Straßengang-Mitglieder, sondern oft angehende Akademiker aus bürgerlichem Elternhaus. Dementsprechend eingängig und allgemeinverträglich hörten sich die deutschsprachigen Texte der Songs an, die damals noch als „Sprechgesang“ tituliert wurden, was den Stil der Zeit auch ziemlich gut beschrieb. Die Hip-Hopper von einst fielen allenfalls durch ihre weiten Klamotten inklusive der breiten Baggy-Pants auf – nur selten durch allzu schlechtes Benehmen oder eine besonders rauhe Sprache. Hier und da waren sie mal etwas frech und aufmüpfig, „wie die jungen Leute halt so sind“, aber eigentlich nie in einem Ausmaß, das für schlaflose Nächte im elterlichen Reihenhaus hätte sorgen müssen.

Orientierung deutscher Rapper an US-Vorbildern 

Ein wenig härter und dem amerikanischen Original schon etwas ähnlicher wurde das Ganze, als Frankfurter Rapper wie Azad und Moses Pelham mit seinem bis heute legendären „Rödelheim Hartreim Projekt“ die Szene betraten. Diese Leute kamen aus den Tiefen einer echten Großstadt, und das merkte man ihnen auch an. Von den heutigen deutschen Gangster-Rappern waren aber auch sie noch weit entfernt. Das Label „Aggro Berlin“ aus der Hauptstadt machte in den Nullerjahren schließlich durch extrem aggressives Auftreten, erst auf Hip-Hop-Jams und später im damals noch recht lebendigen Musikfernsehen, auf sich aufmerksam.

Plötzlich waren sie da. Die Jungs aus dem Ghetto, die auf provokantmöglichste Weise über ihren realen und erfundenen Alltag berichteten. Die aufkommenden Kontroversen dienten zum Teil der Pose und künstlichen Schlagzeilen, verursachten jedoch auch ernsthafte gesellschaftliche Diskussionen. Zu Aggro Berlin gehörten heutige Stars wie Sido, Fler und anfangs auch noch Bushido. Anders als ihre deutschen Vorgänger gaben diese nur wenig auf Politische Korrektheit. Auch und gerade weil sie sich auch sprachlich am amerikanischen Rap orientierten.

Sie übertrugen Begriffe wie „bitch“, „gay“ oder „faggot“ und sogar das böse N-Wort ungefiltert ins Deutsche und galten damit sofort als sexistisch, schwulenfeindlich und rassistisch. Judenfeindlichkeit war damals noch kein sonderlich großes Thema. Wohl auch, weil der Araberanteil, selbst in der Berliner Rap-Community, noch relativ klein war. Genau hier liegt auch der Unterschied zwischen dem aus Übersee geprägten Deutschrap von einst, bei dem die Provokation einfach zum Handwerk gehörte. Wenn Rapper in den USA oder hierzulande das Wort „Schwuchtel“ verwenden, meinen sie damit in den meisten Fällen nicht tatsächlich Homosexuelle. Vielmehr ist es eine szene-übliche Phrase, die dem Gegenüber die Männlichkeit absprechen soll und eine pro-maskuline Rebellion der jungen Männer gegen die feminisierte Umwelt, in der sie aufgewachsen sind. Wenn der Afro-Deutsche Rapper „B-Tight“ sich selbst „Der Neger“ nennt, übernimmt er damit die Gewohnheit vieler US-Kollegen, die sich selbst und jeden anderen Schwarzen in einer Tour „Nigger“ nennen.

Mit den judenfeindlichen Äußerungen vieler Rapper in Deutschland verhält es sich allerdings anders. Antisemitismus ist tatsächlich ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal des europäischen und vor allem des deutschen Raps. Wenn islamische Rapper das Wort „Jude“ als Schimpfwort verwenden, dann meinen sie damit eben auch Jude. Den Juden mit all den negativen Eigenschaften, die man diesen in der islamischen Welt zuschreibt. Der moslemische Jugendliche, der das Wort daraufhin in gleicher Weise in der Schule verwendet und seine jüdischen Mitschüler drangsaliert, hat es deshalb auch nicht mißverstanden. Er weiß vielmehr genau, was sein rappendes Vorbild meint.

Wenn Farid Bang, der mit bürgerlichem Namen Farid Hamed El Abdellaoui heißt, und Kollegah, der nach eigenen Angaben durch seinen algerischen Stiefvater mit dem Islam in Berührung kam und mit 15 Moslem wurde, feixend über den Holocaust rappen, dann spricht daraus der tiefsitzende moslemische Haß auf die Juden in ihrer Gesamtheit. Vor allem Kollegah erkannte schon früh, daß man diesen Judenhaß in Deutschland am besten hinter Israel-Kritik versteckt. Ende 2016 veröffentlichte er eigens einen selbstgedrehten und vor antiisraelischen Ressentiments nur so strotzenden Palästina-Dokumentationsfilm. Bei aller aktueller Empörung und Tugendprotzerei der „Echo“-Zurückgeber sollte man allerdings nicht den Fehler machen zu glauben, der Jurastudent Kollegah und sein Kumpel Farid Bang seien die ersten oder gar einzigen Deutschrapper, die diese Taktik fahren.

Den Twitter-Account von Bushido, mit mehr als 1,2 Millionen Follower, „ziert“ seit Jahren ein „Free Palestine“-Profilfoto. Das Bild zeigt eine Landkarte der Nahostregion ohne Israel. Zu den Texten von Kollegah und Farid Bang hat sich Bushido jüngst diplomatisch, teilweise sogar kritisch geäußert. In einem exklusiven Bild-Interview betonte er angesichts der Holocaust-Zeilen, daß er selbst nie so weit gehen würde. Allerdings textete er beispielsweise im Song „Osama Flow“ schon vor Jahren, im Stile des Fanta-4-Hits  „MfG“: „Flugzeug, Absturz, Tel Aviv, C’est la vie“. Außerdem rief Bushido seine Fans in der Vergangenheit immer wieder zur Teilnahme an den für ihre „Hamas, Hamas, Juden ins Gas.“-Rufe bekannten „Pro-Palästina“-Demonstrationen auf.

Nahost-Konflikt wird in die Hip-Hop-Szene getragen

In den Niederungen der Durchschnittlichkeit versucht seit Jahren der aus Pirmasens stammende, aber auch auf Berliner Gangsterrapper machende „Massiv“, Kapital aus seinen palästinensischen Wurzeln zu schlagen. Bisher mit überschaubarem Erfolg. Palituch-tragen und gegen Israel hetzen allein reicht auf Dauer offenbar doch nicht aus. Auch wenn sich der Mann aus der Pfalz alle Mühe gibt, sämtliche Klischees zu erfüllen. Im Video zu seinem Song „Palestine“ zeigt er tote palästinensische Kinder und schwadroniert vom „ehrenvollen Tod“ und dem heiligen Land der Muslime: „Du wirst umhüllt mit einem weißen Tuch. Das ist der ehrenvolle Tod, guck wie Allah dich in den Himmel ruft (Ya Allah). Dieser Junge starb fürs Vaterland.“ Und im Refrain: „Ihr vertrocknet unser heiliges Land. Habt uns verboten zu atmen und unsere Erde verbrannt. Falastin – ich hab den Stein in der Hand.Wir sind das Volk der Unterdrückten mit Koran um den Hals.“

Zumindest dieses Musikvideo von Massiv ist mit über 1,3 Millionen Aufrufen bei Youtube als trauriger Erfolg zu werten. Mit dem ähnlich gestrickten Video zum Song „Märtyrer“ kommt er auf mehr als 500.000 Aufrufe. Massiv spielt immer wieder mit Sympathiebekundungen für den islamischen Terrorismus. Ein anderer Moslem-Rapper ging da noch einen Schritt weiter. Der unter dem Künstlernamen „Deso Dogg“ bekannt gewordene Denis Cuspert machte vor den Augen der Öffentlichkeit eine Entwicklung durch, die viele moslemische Jugendliche im verborgenen durchlaufen. Der mehrfach vorbestrafte Gangsterrapper wurde erst Salafist und später IS-Terrorist.

Der Nahost-Konflikt dient in der Hip-Hop-Szene immer wieder als Nährboden für Judenhaß in gerappter Form. Da teilt der Rapper „Haftbefehl“ schon mal die kruden Ansichten des Autoren Jürgen Todenhöfer, indem er dessen Internet-Beiträge zum Gaza-Streifen teilt. Den meisten Beiträgen der Szene merkt man an, daß dahinter nur wenig echte Auseinandersetzung mit der Thematik steckt. Vielmehr ist Hip-Hop in Deutschland mittlerweile weitgehend von Arabern und anderen Moslems geprägt, die den Judenhaß aus der eigenen Familie in die Sprache des Raps übertragen. In der durch diesen importierten Antisemitismus sozialisierten Rapmusik-Szene gehört es zum guten Ton, sich mit den Palästinensern und deren vermeintlichem Freiheitskampf gegen Israel zu solidarisieren. Eine betonte pro-palästinensische beziehungsweise anti-israelische Attitüde ist der einfachste Weg, sich innerhalb der eigenen Filterblase zu profilieren. Das hatte auch der deutsch-philippinische Pop-Rapper Kay One erkannt, der diese Selbstprofilierungschance 2014 in Form einer Charity-Aktion für Palästina nutzte. Die Sozialisierung durch arabische Clans und moslemischen Judenhaß geht an kaum einem der heutigen Rapper und Hip-Hop-Fans in Deutschland vorbei. Auch nicht an Künstlern, die ansonsten einen Gegenpart zum klassischen „Ausländer-Rap“ bilden.

Wenn der patriotische Deutsch-Rapper „Dissziplin“ im Intro zu seinem Album „Volksmusik“ rappt: „Volksmusik, Volksmusik, sowas bringt niemand. Frag mich nicht nach Politik; pro Palästina“, übernimmt er damit die Haltung seiner einstigen Vorbilder, gegen die er sich heute ansonsten sehr stark und deutlich positioniert. Dies könnte angesichts der im Vergleich zu Rappern wie Bushido, Kollegah und Farid Bang klar geringeren Verkaufszahlen von Dissziplin eine unbedeutende Randnotiz sein. Wäre es nicht ein prominentes Beispiel für den Einfluß, den moslemische Rapper auf die auch in dieser Generation immer noch existierende deutsche Mehrheitsgesellschaft haben. Denn auch die Musik von Kollegah, Farid Bang und Co. wird ja eben vor allem von deutschen Jugendlichen gekauft, die keinen eigenen Migrationshintergrund haben. Dafür übernehmen diese identitätslosen deutschen Jugendlichen nicht nur die Sprache, sondern auch die Denkweise der Migrantenkinder. Kulturelle Vakuen wollen gefüllt werden.





Anfänge der Rapmusik

Aus einer Party im Sommer 1973 wurde eine „Revolution“, wie das New York Magazine schreibt:  Der damals 18jährige DJ Kool Herc spielte auf einer Veranstaltung im New Yorker Stadtteil Bronx nicht die kompletten Songs auf seinen Platten, sondern nur die Instrumentalteile zwischen dem Gesang, zu denen die Partygäste am besten tanzen konnten. Ein Freund schnappte sich ein Mikrofon und begann gereimte Textpassagen einzusprechen. Als die Rap-Einlage zu einem festen Bestandteil der Musik der DJs wurde, weiteten sich auch Länge und Inhalt der Texte aus. Man begann Geschichten zu rappen, um so seine Ansichten  und Gefühle zu verbreiten. In den Ghettos der US-amerikanischen Großstädte waren die dort gegenwärtigen sozialen Probleme von Beginn an wichtiger Bestandteil der Liedtexte, wenngleich die häufige Glorifizierung von Gewalt und Drogen für Kontroversen sorgte. Durch die Kommerzialisierung der Musik gelangte Rap in den 1980er Jahren auch nach Deutschland und verbreitete sich durch Schallplatten, Filme und die in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten.