© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Kleine Bildchen, große Politik
„Memes“ sind zu einer beliebten „Waffe“ in den sozialen Medien geworden
Boris T. Kaiser

Die Netzkultur hat ihre ganz eigenen Ausdrucksformen. Eine der wohl derzeit verbreitetsten ist das sogenannte Meme. Lustige Bilder, die, ähnlich einer Karikatur, auf unterhaltsame Weise Mißstände anprangern oder Lächerlichkeiten unter der dicken Haut der Seriosität freikratzen. 

Ein gutes Meme muß immer ein bißchen provokant sein. Doof für alle, die nicht provokant sein dürfen oder wollen, weil sie immerzu bemüht sind, niemanden vor den Kopf zu stoßen. US-amerikanische Free-Speech-Aktivisten, die mit Memes im Wahlkampf für Donald Trump sehr erfolgreich waren, scherzen deshalb gerne: „Lefties can’t meme.“ Tatsächlich gibt es kaum ein politisches Meme von links, das auch nur ansatzweise „viral gegangen“ wäre. Dagegen hat die politische Rechte in den USA regelrechte digitale Popstars hervorgebracht. 

Bekanntestes Beispiel ist der Frosch „Pepe“. Die ursprünglich unpolitische Cartoonfigur des Zeichners Matt Furie wurde von Trump-Anhängern im Wahlkampf gegen Hillary Clinton quasi „gekapert“, um Stimmung für den heutigen Präsidenten zu machen. Der Erfolg des politischen Pepe hat das Clinton-Lager so verärgert, daß es den Zeichentrickfrosch kurzerhand zum „rassistischen Haß-Symbol“ erklärte.

Das Meme ist prädestiniert, den modernen Politiker-Typus Marke Merkel, Macron oder Clinton mittels einer vollen sarkastischen Breitseite aus seiner staatstragend vorgetragenen Nichtssagenheit herauszuschmettern. Daß gerade bei den genannten Politikern die jeweiligen Biographien oft aussagekräftiger sind als jede ihrer Reden, kommt dem Internet, das ja bekanntlich nicht vergißt, gerade recht. 

Wie jede Satire funktionieren auch Memes besonders gut, wenn sie Dinge offenlegen, die zwar schon immer für jeden sichtbar waren, aber erst durch den kleinen Pikser der humoristischen Spitze so richtiggehend wahrgenommen werden. Daß hier, nicht nur durch die satirische Übertreibung, schon mal die eine oder andere wirre Verschwörungstheorie ins Kraut schießt, sollte einem bewußt sein. Vor allem in den USA, wo unterhaltsame Verschwörungstheorien schon immer Teil der Popkultur sind.

Jeder Laie kann Kollagen erstellen 

Wie leicht die Grenzen zwischen Realität und Satire sowie Spott und Ehrerbietung in der digitalen Welt verwischen können, zeigt der Trendhashtag „Kicking Alice“. Die AfD-Chefin Alice Weidel löste mit einem Foto, auf dem sie in Kickboxmanier gegen einen Boxsack trat, eine gigantische Welle von Bildern aus, auf denen Unterstützer und Gegner sie via Photoshop gegen alles treten ließen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. 

Auch die Macher der Facebook-Seite „Gutmenschenkeule Deluxe“ und der darüber publizierten Memes lassen gekonnt provokativ die Grenzen zwischen Satire und Realsatire verwischen. So sehr, daß die Seite schon mehrfach gesperrt wurde. Offenbar hat man im Silicon Vally noch immer keine Ironie-Detektoren entwickelt. 

Um so eifriger arbeiten Software-Entwickler dafür an immer neuen Meme-Programmen. Inzwischen reicht es meist, einen aktuellen Trendbegriff in der Kombination mit „Memegenerator“ bei Google einzugeben, um etliche Anwendungen angezeigt zu bekommen, mit denen auch der Laie simple Fotos in eigene Memes umwandeln kann. 

Möglichkeit des reichweitestarken Protests

Zur Zielscheibe dieses neuen Volkssports können neben Politikern auch Firmen werden. Seit der Cornflakes- Hersteller Kellogg’s mit großem Gratismut verkündete, nicht mehr auf „Breitbart News“ zu werben, bekommt er selbst reichlich ungebetene Gratis-Werbung aus dem Meme-Orbit. Auch Nestlé wird im Netz oft mit bitterbösen Spitzen und vor allem für seine Trinkwasserpolitik scharf kritisiert.

In Deutschland wird gerade der Berliner Getränkehersteller „Thomas Henry“ zur Zielscheibe des Spotts, weil er den Kopf der Identitäten Bewegung, Martin Sellner, für dessen scherzhafte Behauptung, daß Unternehmen sponsere ihn, abmahnen ließ.

Aber nicht immer müssen Memes rein politisch sein. Spruch- und Sinnbilder, die die Eigenheiten der deutschen Sprache oder vermeintlich typisch deutsche Eigenschaften aufs Korn nehmen, erfreuen sich ebenso großer Beliebtheit wie Memes zum „kleinen Unterschied“ zwischen Männern und Frauen. Politisch ist an diesen allenfalls, daß sie deutlich machen, wie wenig die große Gleichmacherei der Kulturmarxisten tatsächlich beim normaldenkenden Volk angekommen ist. Das Meme ist eine weitere Möglichkeit, ihre Deutungshoheit noch stärker ins Wanken zu bringen und für plakativen Protest Reichweite zu gewinnen.