© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Stelldichein der Superlative
Luft- und Raumfahrtmesse ILA: In Berlin wurde präsentiert, wofür bald Steuergelder ausgegeben werden
Fabian Schmidt-Ahmad

Ursula von der Leyen hat viel Steuergeld zu verteilen. Nach Jahrzehnten der Dürre wächst der Wehretat seit 2016 kontinuierlich. Vergangenes Jahr stieg ihr Budget von 35,1 auf rund 37 Milliarden Euro – das waren 11,2 Prozent des Bundeshaushalts. In diesem Jahr sollen es noch mehr werden. Der Bundeswehrverband fordert 15 Milliarden Euro mehr im Wehretat bis 2021. Ein Gutteil davon soll nach dem Willen der Bundesverteidigungsministerin in die Luftwaffe investiert werden, weshalb sich Anbieter auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) entsprechend präsentierten. Jagdbomber, Transporthubschrauber, Drohnen – nicht zufällig war gut vertreten, was derzeit auf Ursulas Einkaufsliste steht. Ganz oben ein Nachfolger für den Tornado.

Erhalt der militärischen Luftfahrtexpertise?

Rund 85 der Kampfflugzeuge dienen noch in der Luftwaffe. Doch der zwischen 1980 und 1999 produzierte Jagdbomber kommt ins Pensionsalter. In den kommenden Monaten will sich das Verteidigungsministerium für einen Nachfolger ab dem Jahr 2025 entscheiden. Kandidaten für das Multimilliarden-Geschäft sind neben einer noch zu entwickelnden Jagdbomber-Version des Eurofighter auch drei amerikanische Modelle: die beiden Boeing-Flieger F-15E und F/A 18E sowie die F-35A von Lockheed, alle drei auf der ILA vertreten.

Von der Leyen hat sich bereits auf einen Favoriten festgelegt. „Mit einer möglichen Beschaffung des Eurofighter würde der Erhalt der militärischen Luftfahrtexpertise in Deutschland und Eu­ropa weiter gesichert“, heißt es aus ihrem Ministerium. Keine guten Nachrichten für die deutschen Steuerzahler, denn solche Ankündigungen haben Airbus selten zu kostengünstigen Angeboten veranlaßt. Schon jetzt ist der Flieger in Anschaffung und Unterhalt kaum ein Schnäppchen.

Es stimmt zwar, daß der Flieger ursprünglich auch als Jagdbomber geplant war und nur der Erfolg des Tornados entsprechende Entwicklungen verhinderte. Doch auch der Eurofighter kommt in die Jahre, was sich im Einsatz bemerkbar machen könnte. Denn mittlerweile dominiert die Tarnkappen-Technik die Kampfflugzeugentwicklung. Sollten Jagdbomber der Tornado-Generation noch durch Tiefflüge unerkannt unter dem feindlichen Radar hindurchschlüpfen, wird heute auf geringen Radarquerschnitt gesetzt.

Der Eurofighter ist aber als Luftüberlegenheitsjäger ausgelegt. Die Canard-Flügel neben dem Cockpit beispielsweise sorgen für Wendigkeit im Kurvenkampf, verursachen aber ein deutliches Radarecho. Hier ein Vorteil, doch für einen Bomber, der über feindliche Flugabwehrstellungen gerät, ein Nachteil. Entsprechend wünscht sich der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, auch Amerikas Prestigeflieger, den Tarnkappenflieger F-35, wie die Agentur Reuters berichtete.

Geschätzte Entwicklungskosten von fast einer halben Billion Dollar für die F-35 sind selbst für amerikanische Verhältnisse gigantisch, politische Skandale, gesprengte Zeit- und Budgetrahmen inklusive. Traditionell bestellten die amerikanischen Teilstreitkräfte Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie unabhängig Flugzeugmuster. Diesmal sollte eine gemeinsame Plattform in drei Varianten helfen, Kosten zu sparen. Vorbild war ausgerechnet das trilaterale Tornado-Projekt von Deutschland, Großbritannien und Italien.

Wirklich billig ist der Flieger dadurch nicht geworden. 2011 bestellte Japan 42 Einheiten für geschätzte acht Milliarden Euro – und entschied sich damit gegen den Eurofighter, der sich gleichfalls bewarb. Doch trotz des hohen Preises und kostspieligen Unterhalts sind Lockheeds Auftragsbücher voll. An europäischen Staaten haben Großbritannien, die Niederlande, Norwegen, Italien bereits erste Exemplare in der Luft. Auch die Türkei will mindestens hundert Maschinen betreiben.

Kooperation mit deutschen Firmen in Aussicht gestellt

Beeindruckend die Leistungen des neuen amerikanischen Standard-Kampfflugzeuges. Neben der Stealth-Technik fällt die ausgefeilte Sensorik auf, die ihm entscheidende Vorteile in der elektronischen Kriegsführung verschaffen soll. Feindflugzeuge und Flugabwehr können so erkannt und bekämpft werden, bevor die F-35 in deren Erfassungsbereich gerät. Das ist auch nötig, denn im Kampf auf Sicht, dem sogenannten Dog-Fight, ist sie eher behäbig. Während der ILA bleibt der Flieger jedenfalls verschämt am Boden.

Auch auf die Waffenlast wirkt sich die Tarnkappe nachteilig aus. Lediglich 1,4 Tonnen Bomben können in internen Waffenschächten transportiert werden. Zwar lassen sich weitere 6,8 Tonnen an Außenträgern befestigen, aber die Tarneigenschaft ist dann dahin. Doch diese wird wohl sowieso nicht ewig halten. China und Rußland arbeiten längst an Radarsystemen, welche den Stealth-Vorteil auf ein Minimum reduzieren sollen. Mit Verbreitung der F-35 werden auch solche Systeme für den Markt interessant.

Und noch einen Nachteil hat der Tarnkappenflieger. Amerika behält sich die letzte Kontrolle vor. Selbst am Projekt beteiligte Staaten erhalten nicht den vollen Einblick in die hochkomplexe Software. Es könnte durchaus sein, daß die F-35 einfach am Boden bleibt, wenn es Washington will. Zusätzlich zu den hohen Anschaffungs- und Wartungskosten kommen weitere Investitionen auf Deutschland zu. Beispielsweise läßt sich die F-35 in der Luft nicht mit dem Schleppkorbverfahren der Bundeswehr betanken.

Schmackhaft wird Lockheed sein Angebot machen, indem der Rüstungsriese die Zusammenarbeit mit deutschen Firmen in Aussicht stellt. Dennoch sollte sich Deutschland gut überlegen, ob es sich auf ein solches Wagnis einläßt. Ein Befürworter der F-35 wurde bereits abgesägt. Wie das Verteidigungsministerium bekanntgab, wird Müllner im Mai mit 62 Jahren in den Ruhestand versetzt. Weg frei für eine Jagdbomber-Version des Eurofighter? Nicht ganz, nun bekommt der Flieger Konkurrenz aus eigenem Haus.

Zu Beginn der ILA gaben Airbus und Dassault bekannt, gemeinsam ein Future Combat Air System (FCAS) entwickeln zu wollen. Vorangegangen war dem eine politische Absichtserklärung zwischen Deutschland und Frankreich. Dieses neue Kampflugzeug soll nicht ein überarbeiteter Eurofighter sein, sondern eine Art europäische F-35 darstellen. Drohnen, Cyberwar, vernetzte Kriegsführung. So ungefähr klang auch die Ankündigung der F-35. Bekommen hat der amerikanische Steuerzahler erst einmal ein Multi-Milliarden-Grab.

Es darf bezweifelt werden, daß die Europäer hier klüger haushalten. Und selbst wenn der Zeitplan von 2035 bis 2040 für den Truppenzulauf eingehalten wird, bleibt eine Lücke. Die ökonomisch vernünftigere Lösung wäre sowieso eher die F/A 18E. Vor wenigen Tagen bestellte Kuwait 28 Maschinen des technisch ausgereiften Jagdbombers mit teilweiser Tarnkappentechnik – für vergleichsweise günstige 1,2 Milliarden Dollar.

Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI):  www.bdli.de

US-Verband für Luft- und Raumfahrttechnik:  www.aiaa.org